Steffis zweite Chance
Im Fußball lernt man schnell, dass der Trainer schuld an jeder Misere ist. Wenn der Stürmerstar seine Chancen versemmelt, hat der Trainer dessen Ego zu wenig gebauchpinselt. Wenn sich die Abwehr löchrig wie ein Schweizer Käse präsentiert, hat der Trainer das falsche System gewählt. Und wenn das Team ein Spiel nach dem anderen verliert, hat der Trainer die falschen Leute eingesetzt. Kommt von den Vereinsbossen dann der bedeutungsschwangere Satz „Der Trainer erreicht die Mannschaft nicht mehr“, sind es bis zu seiner Entlassung oft nur noch wenige Stunden.
Steffi Jones hat ihre Mannschaft bei ihrer Feuertaufe als Bundestrainerin während der Europameisterschaft in den Niederlanden nachweislich nicht erreicht. Im ersten Turnier unter ihrer Führung überstanden die Fußballerinnen gerade noch mit Ach und Krach die Vorrunde – im ersten K.-o.-Spiel war Schluss. Selten haben sich die erfolgsverwöhnten deutschen Frauen, die immerhin mit einer olympischen Goldmedaille von Rio angereist waren, so konfus in einem Turnier präsentiert. Welten lagen zwischen den Auftritten in Brasilien, als Erfolgstrainerin Silvia Neid noch die Kommandos gab, und der Vorstellung bei der EM. Dabei ist Neids Nachfolgerin Jones gerade mal zehn Monate im Amt.
Angesichts der mageren EMVorstellung durften sich die Bosse vom Deutschen Fußball-Bund mit Recht die Frage stellen, ob Steffi Jones als Bundestrainerin überhaupt geeignet ist. Warum auch immer sie die Frage mit „Ja“beantwortet haben – Steffi Jones darf ihren Job vorerst behalten. Sie darf bis zur WM 2019 weitermachen, wenn es gut läuft sogar bis zu den Olympischen Spielen 2020.
Die Bundestrainerin erhält damit eine Schonfrist, um die sie mancher Bundesliga-Trainer beneiden dürfte. Dort wird trotz besserer Bilanzen entlassen. Allerdings muss Jones endlich in ihren Job hineinwachsen und schleunigst ihre Stürmerinnen so bauchpinseln, dass sie wieder treffen. Sie muss ein System wählen, dass die Abwehr dicht macht. Und sie muss auf die richtigen Spielerinnen setzen, damit das Team gewinnt. Eine dritte Chance wird sie ganz sicher nicht erhalten.