Beim Verbraucherschutz blieb vieles unerledigt
Regierungsbilanz Die Koalition regelte die Zuständigkeiten neu. Doch in der Realität kam wenig von den Verbesserungen an
Gift im Ei, Abgas-Schummeleien beim Dieselauto, Datenklau im Internet – Gesundheit und Geldbeutel der Verbraucher drohen viele Gefahren. Und als die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD Ende 2013 ihre Arbeit aufnahm, trug sie dem auf Druck der SPD mit einer wichtigen Neuerung Rechnung. Für Verbraucherschutz war fortan nicht mehr das Landwirtschaftsressort zuständig, sondern das Justizministerium. Ein Konflikt zwischen den Interessen der Landwirtschaft und denen des Verbraucherschutzes ergibt sich nun nicht mehr.
Zuvor war immer wieder bemängelt worden, dass sich der Agrarminister etwa bei Lebensmittelskandalen aus Rücksicht auf die Landwirte zu sehr zurückhalten könnte. Und beim Verbraucherschutz geht es immer mehr auch um Fallstricke in der digitalen Welt statt um belastetes Essen. Ein weiterer Vorteil: Anders als das Landwirtschaftsministerium hat das Justizministerium Initiativrecht, kann also selbst Gesetzentwürfe einbringen. Zum Minister berufen wurde Heiko Maas, der SPDMann war zuletzt saarländischer Wirtschaftsminister und verfügt über kein Bundestagsmandat. Zumindest was die Zahl der eingebrachten Gesetzesvorlagen betrifft, erwies sich Maas als fleißigster Minister der Großen Koalition. Mit 95 Gesetzentwürfen liegt er im Kabinett ganz vorn. Initiativen zum Verbraucherschutz bilden einen großen Teil der Vorstöße.
Die Opposition warf Maas zeitweise vor, er arbeite nur stur den Koalitionsvertrag ab, doch im eigenen Lager heißt es, das sei ja schließlich seine Aufgabe. Maas setzte zahlreiche Neuerungen durch: Verbraucherverbände können nun gegen Datenschutzverstöße vorgehen. Durch das Kleinanlegerschutzgesetz ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin auch für den Schutz der Verbraucher vor schwarzen Schafen im Finanzbereich zuständig.
Mit der Einsetzung der beiden „Marktwächter“für die Bereiche Finanzen und Digitale Welt erfüllte Maas eine weitere Vorgabe des Koalitionsvertrags. Dort fand sich auch eine alte SPD-Forderung: die Mietpreisbremse, die dafür sorgen sollte, dass „Wohnraum insbesondere in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt“. Das Gesetz, auf das sich die Koalition einigte, sieht vor, dass bei einem Mieterwechsel die Miete nur noch auf einen Betrag angehoben werden darf, der höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. In der Praxis, so zeigte sich, versagt die Bremse, weil es zu viele Schlupflöcher gibt. Vermieter können Wohnungen etwa als möbliert vermieten, dann gelten die Beschränkungen nicht. Von Maas geforderte Nachbesserungen scheiterten am Widerstand aus der Union.
Auch in anderen Bereichen des Verbraucherschutzes bleibt viel zu tun. Im Skandal um die manipulierten Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen hat das Thema Sammelklagen Brisanz bekommen. Bisher ist es in Deutschland nicht möglich, dass Bürger gemeinsam gerichtlich gegen Großkonzerne vorgehen, um – wie etwa in den USA – Entschädigungen zu erstreiten. Heiko Maas will die Sammelklage auch in Deutschland einführen – die Union war bisher dagegen. Inzwischen hat zumindest die CSU signalisiert, dass sie ihren Widerstand aufgeben könnte. Im Zusammenhang mit der Pleite von Air Berlin fordert Maas, dass Fluglinien den Reisepreis künftig gegen Insolvenz versichern müssen.