Senioren gequält und getötet?
Prozess Drei Heim-Mitarbeiter stehen seit gestern vor Gericht. Vorgeworfen werden ihnen zwei Morde und ein Mordversuch. Die Anklageschrift gleicht einer Liste des Schreckens
Frankenthal Die Anklage klingt wie eine Liste des Schreckens, wie die Fantasie eines Sadisten. Ein Altenpflegehelfer gibt einer dementen Frau Urin zu trinken und überschüttet sie mit dem Rest, als sie nicht mehr will. Eine Kollegin filmt den 24-Jährigen dabei und verschickt das Video per WhatsApp an einen älteren Kollegen. Der 24-Jährige macht einer Patientin eine Hitlerfrisur, malt mit Lippenstift den typischen Bart und schickt ein Foto mit dem Text „Hitler lebt!“an die anderen beiden.
So steht es in der 33 Punkte umfassenden Anklage im Prozess gegen drei ehemalige Mitarbeiter eines Seniorenheims im pfälzischen Lambrecht. Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz braucht vor dem Landgericht Frankenthal mehr als eine halbe Stunde für das Verlesen der Vorwürfe gegen die drei Deutschen im Alter von 24, 27 und 48 Jahren. Der schlimmste Verdacht wiegt noch schwerer: Sie sollen gemordet haben. Eine hilflose Heimbewohnerin sollen alle drei auf dem Gewissen haben, eine andere nur die zwei Männer. Langeweile nennt die Oberstaatsanwältin als Motiv. Außerdem hätten sich die drei „aus bloßer Freude an der Machtausübung als Herren über Leben und Tod aufspielen“wollen.
Schon bei der Anklageverlesung wird klar, dass dem WhatsAppDienst beziehungsweise seiner Nutzung durch die Angeklagten im Prozess große Bedeutung zukommt. Bei vielen Punkten, trägt die Oberstaatsanwältin vor, gebe es dazu einen Austausch zwischen zwei oder drei Angeklagten, mitunter habe einer die anderen per WhatsApp bei Taten bestärkt, etwa beim Miss- einer Patientin mit einem Würstchen.
Die drei gerieten in Verdacht, als eine Kollegin Wind von den Aufnahmen bekam und dies meldete. Das Trio, das mit Handfesseln und Aktenordnern vor dem Gesicht im Gerichtssaal erschienen ist, verfolgt teilnahmslos, wie die Oberstaatsanwältin in die Details geht. Ende 2015 seien sie übereingekommen, eine 85 Jahre alte Demenzkranke zu töten.
Der 24-Jährige habe ihr über Stunden hinweg 410 Einheiten Insulin gespritzt und die anderen per Smartphone auf dem Laufenden gehalten. „Er erhielt von ihnen Ratschläge, wurde angefeuert.“Als die Frau nicht starb, soll die 27-Jährige dem Kollegen geraten haben, die 85-Jährige mit einem Kissen zu ersticken. Das habe er am 30. Dezember 2015 gegen 4.15 Uhr getan, sagt Brehmeier-Metz.
Der 24-Jährige hat diese Tat schon bei den Ermittlungen gestanden. Zusammen mit dem 48-Jährigen habe er dann beschlossen, eine 62-Jährige zu töten. „Sie konnte eine fordernde Patientin sein, deren Pflege für das Personal nicht immer einfach war“, sagt Brehmeier-Metz.
Der 48-Jährige soll ihr während der Spätschicht Insulin gespritzt haben, angefeuert per WhatsApp von dem 24-Jährigen. Am 20. Februar 2016 wurde der Tod der Frau festgestellt. Bei einer 89-Jährigen sollen der 48-Jährige und die 27-Jährige es am 4. März 2016 mit einer Überdobrauch sis Morphin versucht haben. Andere Mitarbeiter bemerkten aber den schlechten Zustand der Frau. Sie kam in ein Krankenhaus und überlebte. Der 48-Jährige schweigt gestern. Der Prozess wird fortgesetzt.
Klar scheint am ersten Tag nur eines: Die beiden jüngeren Angeklagten haben sich vermutlich mangels Alternative für die Altenpflege entschieden. Der 24-Jährige, der nach eigenen Angaben an Depressionen leidet, hatte eigentlich Verkäufer werden wollen, aber die Noten waren zu schlecht. Die 27-Jährige, die regelmäßig Aufputschmittel und Tabletten nahm und zeitweilig an einem Burn-out litt, wollte ursprünglich im Kindergarten arbeiten.