So verlor die CDU gegen Weil
Wahlanalysen zeigen eine klare Entwicklung
Augsburg Wie gelang es der SPD, ausgerechnet in einer ihrer größten Krisen zum ersten Mal seit 1998 stärkste Partei in Niedersachsen zu werden? Eindeutig scheint, beim Blick auf das Wahlergebnis und die vielen Umfragen der Monate zuvor, dass die niedersächsischen Sozialdemokraten auch unter ihrem populären Ministerpräsidenten Stephan Weil bis vor drei Wochen stark unter dem negativen Bundestrend während der Großen Koalition gelitten hatten. Doch die Bundestagswahl wirkte offenbar wie das sprichwörtliche reinigende Gewitter: Das harte Ergebnis nahm allen Ballast von der Landes-SPD weg.
Stephan Weil konnte seit dem 28. September in einem kurzen, aber schlagkräftigen Wahlkampf voll seinen Amtsbonus ausspielen. Mit 50 zu 35 Prozent überzeugte er bei der Frage, wen die Wähler, wenn sie denn könnten, direkt zum Ministerpräsidenten wählen würden. Damit lag er am Wahltag uneinholbar vor seinem CDU-Herausforderer Bernd Althusmann. Im August war der Vorsprung noch deutlich geringer.
Jetzt sagte die überwältigende Mehrheit von 67 Prozent, Weil sei ein „guter Ministerpräsident“. Im August waren „nur“53 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden. Bei den Persönlichkeitswerten Bürgernähe, Sympathie und Glaubwürdigkeit kommt Weil mit gut 50 Prozent auf teils doppelt so hohe Werte wie der CDU-Spitzenkandidat Althusmann.
Weils Popularität half seiner Partei über einige Schwächen hinweg: Bei der Bildungspolitik stürzte die SPD um ganze elf auf 34 Prozent in der Kompetenzbeurteilung. Obwohl die CDU ihren einst populären Ex-Kultusminister Althusmann zum Spitzenkandidaten machte, wurde ihr in der Bildungspolitik noch weniger zugetraut. So konnte die Union ausgerechnet bei dem für die Wähler wichtigsten Thema der Wahl nicht punkten.
Zwar verlor die SPD auch bei den Themenfeldern soziale Gerechtigkeit und Familienpolitik. Aber vermutlich auch dank Weils behutsamen Kurs in der VW-Dieselaffäre legte die SPD bei den wichtigen Kompetenzfeldern Wirtschaft und Arbeitsplätze zu. Hier konnte die SPD gerade in ihrer Kernwählergruppe Arbeiter und Angestellte um fünf Prozentpunkte zulegen. Mit 42 Prozent heißt in Niedersachsen die „Arbeiterpartei“eindeutig: SPD.
Insgesamt wurde die Niedersachsenwahl in der Mitte entschieden. Die Flüchtlingspolitik spielte kaum eine Rolle: Laut der ZDF-Analyse der Forschungsgruppe Wahlen sind 77 Prozent der Niedersachsen der Meinung, ihr Land könne „die vielen Flüchtlinge verkraften“. Mit gut sechs Prozent schnitt die AfD überraschend schwach ab: Die Protestpartei litt nicht nur unter der starken Polarisierung der beiden großen Parteien. Die tief zerstrittene Landes-AfD hatte in Niedersachsen zudem ein schlechteres Image als in anderen Bundesländern. So konnte die AfD deutlich weniger Nichtwähler mobilisieren als jeweils die SPD oder auch die Union.