Wie geht es mit den Zinsen weiter?
Geldpolitik Die Europäische Zentralbank kauft ab Januar deutlich weniger Staatspapiere. Sparer müssen aber noch lange auf bessere Zeiten hoffen
Frankfurt am Main Europas Währungshüter machen Ernst: Sie wagen den Einstieg in den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik – allerdings mit Bedacht. Die Europäische Zentralbank (EZB) vollziehe keine Kehrtwende um 180 Grad, sondern gehe so vorsichtig wie möglich vor, analysiert ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Nach den Beschlüssen der EZB baute der Dax seine Kursgewinne am Nachmittag immer weiter aus und stieg erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 13 100 Punkten. Die neue Bestmarke setzte er bei 13 144,65 Zählern. Am Ende ging er 1,39 Prozent höher bei 13 133,28 Punkten über die Ziellinie.
Was hat die Europäische Zentralbank im Detail entschieden?
Die Notenbank setzt die milliardenschweren Wertpapierkäufe im kommenden Jahr zwar fort, verringert das Volumen aber deutlich. Von Januar 2018 an wollen die Währungshüter monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere für 30 Milliarden Euro kaufen. Bis Ende Dezember 2017 sind es monatlich noch 60 Milliarden Euro. Das Programm soll bis mindestens Ende September 2018 laufen und damit neun Monate länger als bislang geplant – veranschlagtes Volumen bis dahin: 2,55 Billionen Euro. „Die Übergangsphase wird lang! Das sichert den Aufschwung ab und erleichtert allen Finanzmarktteilnehmern die Planung“, erläutert KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Wann steigen die Zinsen wieder?
EZB-Präsident Mario Draghi betont, dass die Zinsen nach dem Ende der Anleihenkäufe noch lange niedrig bleiben werden. Ökonomen rechnen damit, dass eine Erhöhung womöglich bis ins Jahr 2019 auf sich warten lässt. „Sofern die Konjunktur erwartungsgemäß auf Kurs bleibt, wird EZB-Präsident Draghi die Zinswende noch selbst vollziehen, bevor er Ende Oktober 2019 aus dem Amt scheidet, und dies nicht seinem Nachfolger überlassen“, argumentiert Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Derzeit liegt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen können, auf dem Rekordtief von null Prozent. Finanzinstitute, die Geld bei der Zentralbank parken, müssen dafür 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.
Was heißt das für Sparer?
Sie mickrigen für begnügen Zeit unter werden Inflation Tagesgeld, vorbei dem müssen. Strich oder sich nahe sind, zunächst Sparbuch gar Geld. null Da verlieren keinen seit die In weiter Zeiten geraumer Deutschland und Zinsen Sparer Co. mit einer Prozent EU-Schnitt lag die im von Jahresinflation September 1,5 Prozent. über mit Manchen dem 1,8 Sparern auf ihre drohen Einlagen. zudem Strafzinsen
Nach einer Umfrage von Bundesbank und Finanzaufsicht BaFin will künftig jedes zwölfte Geldhaus Negativzinsen auf Einlagen von Privatkunden erheben. Den Instituten brechen wegen des Zinstiefs Erträge weg, darum drehen sie an der Gebührenschraube und geben teils auch Strafzinsen weiter. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon kritisiert, „dass die EZB mit der
Verlängerung der Anleihenkäufe den Zeitpunkt, zu dem sie dann auch den Leitzins korrigieren kann, immer weiter in die Zukunft verschiebt“.
Welche Folgen hat die Verringerung der Anleihenkäufe?
Für Immobilienkäufer könnte die
Zeit des ultrabilligen Geldes allmählich zu Ende gehen. Die Zinsen von
Hypothekendarlehen in Deutschland orientieren sich vor allem an der Verzinsung von Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Verringert die Notenbank ihre Wertpapierkäufe, könnten die Zinsen dieser
Papiere steigen. Einen rasanten Zuwachs erwarten Ökonomen allerdings nicht.
Wem hilft die Geldflut?
Staaten im Euroraum kommen dank
Geldschwemme und Nullzinsen billiger an Geld. Das hilft auch starken Volkswirtschaften wie Deutschland. Nach Berechnungen der Deutschen Bank dürfte der deutsche Staat zwischen 2008 und 2016 fast 260 Milliarden Euro an Zinsen eingespart haben. „Ohne die niedrigen Zinsen hätte die nächste Bundesregierung keine Überschüsse, die sie wohl an die Bürgerinnen und Bürger verteilen wird“, argumentiert der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Für Staaten könnte es nun etwas teurer werden, sich Geld am Kapitalmarkt zu leihen.
Warum agiert die Europäische Zentralbank vorsichtig?
Ein plötzliches Ende der milliardenschweren Anleihenkäufe und eine unerwartete Zinserhöhung könnten an den Kapitalmärkten massive Turbulenzen auslösen. Aktienkurse dürften dann in den Keller rauschen, die Renditen von Staatsanleihen in die Höhe schießen. Gerade für angeschlagene Eurostaaten würde es dann deutlich teurer, sich Geld am Markt zu leihen. Eine plötzliche Kehrtwende könnte zudem Verbraucher und Firmen verunsichern und so die Konjunkturerholung im Euroraum gefährden. Die EZB muss also behutsam vorgehen, traditionell legen Marktteilnehmer jedes Wort Draghis auf die Goldwaage.
Warum hat die EZB die Geldschleusen überhaupt so weit geöffnet?
Mit dem billigen Geld versucht die Notenbank seit Jahren, der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen und zugleich die Teuerung anzuheizen. Mittelfristig strebt die Notenbank eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, Investitionen aufzuschieben – das würde die Konjunktur abwürgen. Im September lag die Inflation im Euroraum bei 1,5 Prozent.