Ein rasanter Bilderreigen
Premiere Max von Thebens Stück „Badehaus Boudoir“ist ein Spektakel aus Tanz, Gesang und Drama. Abgefahren gut und tänzerisch perfekt
Landsberg Badehäuser gab es schon immer – nur nicht immer wurde darin nur gebadet. Es waren Orte, an denen Huren ein und aus gingen, und so manches Geschäft abgeschlossen oder auch mal ein Zahn gezogen wurde. Das Theaterstück „Badehaus Boudoir“von Max von Theben (alias Maximilian Huber) spielt auch an einem solchen Ort. Wie der Name schon sagt. Die Sprache ist deutlich und manchmal vulgär. Nun ja, das war sie oft, doch hat uns das bei den Dramen und Komödien von Shakespeare und Molière je gestört?
Es ist schließlich ein düsterer Ort, und trotzdem gelingt es Theben, das Publikum auch zu amüsieren. Allerdings macht er sich nie über Personen lustig, es ist die Situation, über die gelacht wird. Thebens Stück ist eine Revue der besonderen Art und sehr ungewöhnlich. Es ist nah am Menschen und beschäftigt sich mit dessen Abgründen. Vor allem den sexuellen Vorlieben, auf eine manchmal drastische und sehr deutliche Art und Weise. Diese Menschen stehen am Rand der Gesellschaft, sind arm, manche verzweifelt, und lassen uns tief in ihr Inneres blicken. Es geht um Macht und Verzweiflung. Es geht um Bosheit, Wahn, Schuld und Folter.
Max von Theben hat das Stück selbst geschrieben, führt Regie und spielt auch mit. Seine Darsteller leben in diesem alten Badehaus, es ist marode und in die Jahre gekommen, wie seine Besitzerin, die alternde Luxuria. Regina Kläger spielt diese Frau, die mehr eine Hexe als eine Hure ist, mit einer erschreckenden Freundlichkeit. Umso grausamer erscheint sie, wenn sie mit einem Lächeln sogar ihre Tochter töten möchte.
Luxuria will mit allen Mitteln ihren Thron verteidigen und schreckt auch vor Folter und Mord nicht zurück. Ihr Keller ist ein Ort des Grauens, Kommissar Alfonsin (Norbert Waldmann) versucht zu ermitteln, scheitert aber wie alle Besucher des Hauses – denn er begibt sich auf seiner Suche zu tief in die Fänge der alternden Hure und ihrer Gehilfen. Erschreckend, und doch kann man nicht wegschauen, denn der rasante Bilderreigen reißt die Zuschauer mit. Das erreicht Theben durch eine sehr gezielte und stimmige Auswahl der Schauspieler und die unglaublich guten Tanz-, Akrobatik- und Gesangsszenen. Sie geben diesem Stück einen besonderen Reiz.
Die Choreografie übernahm die 28-jährige Tanzlehrerin Lydia Dittlein, gebürtige Landsbergerin, sie unterrichtet Pole Dance und Burleske. In ihrer Rolle als behinderte Tochter der Badehaus-Besitzerin tanzt sie ihre Gefühle und wirkt so sehr menschlich in dem HorrorHaus. Dittlein hat mit den Darstellern die Akrobatik an hoch oben schwebenden Reifen (Aerial Hoop) einstudiert und so bekommt der Zuschauer kraftvolle Bilder zu sehen. Max von Theben zeigt mit Miguel Dominguez, wie erotisch ein Tanz an der Stange (Pole Dance) sein kann. Ein tolles Team mit einem zweiten Star in diesem bilderreichen und teilweise höchst amüsanten Abend: der in Eching aufgewachsene Emanuel Kasprowicz. Der 29-Jährige wurde an der Hamburger Stage School ausgebildet. Im Ba- dehaus spielt er Invidia, einen jungen Mann, der sich als Frau fühlt. Er zeigt die Zerrissenheit dieser Person in jeder Sekunde, ist besonders stark als Tänzer und Sänger und enorm beweglich. Seine Tanzszenen sorgen für ganz besondere Momente. Invidia ist die zentrale Rolle. Tragisch und zugleich humorvoll.
Wie gut die Zusammenarbeit in diesem Team, der Gruppe „Randerscheinungen“ist, zeigt sich an den restlichen Darstellern. Ob nun der Kommissar und sein Gehilfe bei ihrem grandiosen Handtuchtanz mit Norbert Waldmann und Roman Raeithel-Ganser – diese Szene ist schon allein den Besuch des Stücks wert – oder Tine Polzer als Badehure Su-
Nah am Menschen und dessen Abgründen
Der Handtuchtanz allein ist einen Besuch wert
perbia. Polzer hat eine erstaunliche schauspielerische Entwicklung hinter sich und ist Kasprowicz im Kampf um die Macht im Badehaus eine ebenbürtige Gegnerin.
Es ist ein sehr dicht gezeichnetes emotionales Sittenbild einer verruchten Gesellschaft, das zu jeder Zeit spielen könnte und fasziniert durch die brillante Mischung aus Tanz, Musik, Gesang und Schauspielerei. Der erste Teil des Dramas ist unglaublich witzig und rasant, der zweite Teil nach der Pause kann dieses Tempo dann nicht mehr halten. Wie gesagt, ein Spektakel, das man einfach anschauen muss.
OSpieltermine:
Donnerstag, 2. No vember, Freitag, 3. November, 20 Uhr. Samstag, 4. November, 17 und 20 Uhr und Dienstag und Mittwoch, 28. und 29. November, 20 Uhr. Karten gibt es im Stadttheaterbüro, 08191/128 333 und im Reisebüro Vivell, 08191/917412.