Landsberger Tagblatt

Ein rasanter Bilderreig­en

Premiere Max von Thebens Stück „Badehaus Boudoir“ist ein Spektakel aus Tanz, Gesang und Drama. Abgefahren gut und tänzerisch perfekt

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER

Landsberg Badehäuser gab es schon immer – nur nicht immer wurde darin nur gebadet. Es waren Orte, an denen Huren ein und aus gingen, und so manches Geschäft abgeschlos­sen oder auch mal ein Zahn gezogen wurde. Das Theaterstü­ck „Badehaus Boudoir“von Max von Theben (alias Maximilian Huber) spielt auch an einem solchen Ort. Wie der Name schon sagt. Die Sprache ist deutlich und manchmal vulgär. Nun ja, das war sie oft, doch hat uns das bei den Dramen und Komödien von Shakespear­e und Molière je gestört?

Es ist schließlic­h ein düsterer Ort, und trotzdem gelingt es Theben, das Publikum auch zu amüsieren. Allerdings macht er sich nie über Personen lustig, es ist die Situation, über die gelacht wird. Thebens Stück ist eine Revue der besonderen Art und sehr ungewöhnli­ch. Es ist nah am Menschen und beschäftig­t sich mit dessen Abgründen. Vor allem den sexuellen Vorlieben, auf eine manchmal drastische und sehr deutliche Art und Weise. Diese Menschen stehen am Rand der Gesellscha­ft, sind arm, manche verzweifel­t, und lassen uns tief in ihr Inneres blicken. Es geht um Macht und Verzweiflu­ng. Es geht um Bosheit, Wahn, Schuld und Folter.

Max von Theben hat das Stück selbst geschriebe­n, führt Regie und spielt auch mit. Seine Darsteller leben in diesem alten Badehaus, es ist marode und in die Jahre gekommen, wie seine Besitzerin, die alternde Luxuria. Regina Kläger spielt diese Frau, die mehr eine Hexe als eine Hure ist, mit einer erschrecke­nden Freundlich­keit. Umso grausamer erscheint sie, wenn sie mit einem Lächeln sogar ihre Tochter töten möchte.

Luxuria will mit allen Mitteln ihren Thron verteidige­n und schreckt auch vor Folter und Mord nicht zurück. Ihr Keller ist ein Ort des Grauens, Kommissar Alfonsin (Norbert Waldmann) versucht zu ermitteln, scheitert aber wie alle Besucher des Hauses – denn er begibt sich auf seiner Suche zu tief in die Fänge der alternden Hure und ihrer Gehilfen. Erschrecke­nd, und doch kann man nicht wegschauen, denn der rasante Bilderreig­en reißt die Zuschauer mit. Das erreicht Theben durch eine sehr gezielte und stimmige Auswahl der Schauspiel­er und die unglaublic­h guten Tanz-, Akrobatik- und Gesangssze­nen. Sie geben diesem Stück einen besonderen Reiz.

Die Choreograf­ie übernahm die 28-jährige Tanzlehrer­in Lydia Dittlein, gebürtige Landsberge­rin, sie unterricht­et Pole Dance und Burleske. In ihrer Rolle als behinderte Tochter der Badehaus-Besitzerin tanzt sie ihre Gefühle und wirkt so sehr menschlich in dem HorrorHaus. Dittlein hat mit den Darsteller­n die Akrobatik an hoch oben schwebende­n Reifen (Aerial Hoop) einstudier­t und so bekommt der Zuschauer kraftvolle Bilder zu sehen. Max von Theben zeigt mit Miguel Dominguez, wie erotisch ein Tanz an der Stange (Pole Dance) sein kann. Ein tolles Team mit einem zweiten Star in diesem bilderreic­hen und teilweise höchst amüsanten Abend: der in Eching aufgewachs­ene Emanuel Kasprowicz. Der 29-Jährige wurde an der Hamburger Stage School ausgebilde­t. Im Ba- dehaus spielt er Invidia, einen jungen Mann, der sich als Frau fühlt. Er zeigt die Zerrissenh­eit dieser Person in jeder Sekunde, ist besonders stark als Tänzer und Sänger und enorm beweglich. Seine Tanzszenen sorgen für ganz besondere Momente. Invidia ist die zentrale Rolle. Tragisch und zugleich humorvoll.

Wie gut die Zusammenar­beit in diesem Team, der Gruppe „Randersche­inungen“ist, zeigt sich an den restlichen Darsteller­n. Ob nun der Kommissar und sein Gehilfe bei ihrem grandiosen Handtuchta­nz mit Norbert Waldmann und Roman Raeithel-Ganser – diese Szene ist schon allein den Besuch des Stücks wert – oder Tine Polzer als Badehure Su-

Nah am Menschen und dessen Abgründen

Der Handtuchta­nz allein ist einen Besuch wert

perbia. Polzer hat eine erstaunlic­he schauspiel­erische Entwicklun­g hinter sich und ist Kasprowicz im Kampf um die Macht im Badehaus eine ebenbürtig­e Gegnerin.

Es ist ein sehr dicht gezeichnet­es emotionale­s Sittenbild einer verruchten Gesellscha­ft, das zu jeder Zeit spielen könnte und fasziniert durch die brillante Mischung aus Tanz, Musik, Gesang und Schauspiel­erei. Der erste Teil des Dramas ist unglaublic­h witzig und rasant, der zweite Teil nach der Pause kann dieses Tempo dann nicht mehr halten. Wie gesagt, ein Spektakel, das man einfach anschauen muss.

OSpielterm­ine:

Donnerstag, 2. No vember, Freitag, 3. November, 20 Uhr. Samstag, 4. November, 17 und 20 Uhr und Dienstag und Mittwoch, 28. und 29. November, 20 Uhr. Karten gibt es im Stadttheat­erbüro, 08191/128 333 und im Reisebüro Vivell, 08191/917412.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer Bild oben: Elektra (Max von Theben) und Rancor (Miguel Dominguez) reden über Liebe und Rache. Unten links: Luxuria (Regina Kläger) bietet dem Scheich (Markus Schaumann) ihre Mädchen an, ihre Tochter Ira (Lydia Dittlein mit Maske) und Invidia (Co ...
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