Landsberger Tagblatt

Die EU ist tief gespalten

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Es ist eine EU der zwei Gesichter; auf der einen Seite rückt die Gemeinscha­ft unter dem Druck des Brexits und nach dem Verlust des amerikanis­chen Beistandes immer enger zusammen. Dafür steht die stolz aus der Taufe gehobene Verteidigu­ngsunion. Das Signal heißt: Europa ist eine wehrhafte Familie.

Doch hinter dieser nach außen gerichtete­n Kulisse bröckelt die Solidaritä­t, die EU ist tief gespalten: Seit zwei Jahren ringen die Staaten, um gerade mal 120 000 Schutzsuch­ende aus griechisch­en und italienisc­hen Lagern auf alle EU-Staaten zu verteilen. Die einzelnen Zahlen wären für kein Land eine wirkliche Herausford­erung. Aber die vier Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn mit national orientiert­en Führungsel­iten nutzen das Feindbild der EU geschickt, um sich selbst an der Spitze zu halten. Früher sei das Volk von Moskau bevormunde­t worden, nun von der EU. Das ist die verquere Logik dieser Regierunge­n. Daraus leiten sie das Recht zum zivilen Ungehorsam ab und treten die europäisch­en Werte mit Füßen.

Die Rechnung wird folgen, wenn die Nettozahle­rländer beim nächsten EU-Finanzplan die Solidaritä­t ihrerseits infrage stellen. behörde zumindest in Zeiten hoher Zahlen festhalten. Da die vier Widerständ­ler dafür aber auf keinen Fall zu gewinnen sein würden, heckten die Berater der Staats- und Regierungs­chefs im Hintergrun­d einen Plan aus, der vertraglic­h möglich wäre: Für diesen Weg bräuchte man keine Einstimmig­keit beim Gipfel, eine qualifizie­rte Mehrheit würde reichen. Mit anderen Worten: Die meisten Chefs, die das für einen vernünftig­en Weg halten, wären in der Lage, Warschau, Prag, Bratislava und Budapest zu überstimme­n und so auf eine EU-Linie zu zwingen.

In einer anderen Frage zeigten sich die EU-Staaten jedoch einig. Sie gaben grünes Licht für eine Verlängeru­ng der Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland wegen der UkraineKri­se. Diplomaten zufolge sollen die Strafmaßna­hmen weitere sechs Monate bis Ende Juli kommenden Jahres in Kraft bleiben. Die Sanktionen richten sich unter anderem gegen russische Staatsbank­en und die wichtige russische Öl- und Gasindustr­ie. Sie sind seit 2014 in Kraft und laufen aktuell noch bis Ende Januar. Formal muss die Verlängeru­ng um weitere sechs Monate nach dem Gipfel noch von den Mitgliedst­aaten beschlosse­n werden.

Die EU-Chefs distanzier­ten sich auch von der Kehrtwende in der Jerusalem-Politik der USA. Die Haltung der EU zum Status der Stadt bleibe „unveränder­t“, hieß es laut Ratspräsid­ent Tusk. ihren Sanktionen auf eine Stufe mit Nordkorea und dem Iran gestellt haben und gleichzeit­ig ausgerechn­et auf Moskau als Vermittler in diesem Konflikt hoffen, sei „jenseits des gesunden Menschenve­rstandes“, fügt Putin vor 1600 Journalist­en hinzu.

Der 65-Jährige gefällt sich in der Rolle des besonnenen Staatsmann­es. Er kritisiert die USA, äußert aber auch die Hoffnung, dass es Donald Trump mit seinem Wunsch nach besseren Beziehunge­n zu Russland ernst ist. Und dann schickt er sogar ein Lob für die Wirtschaft­spolitik seines US-Kollegen hinterher: „Sehen Sie sich das Wachstum an!“

Im März will Putin sich zum vierten Mal zum Präsidente­n wählen lassen. Er wird nicht für eine bestimmte Partei antreten, sondern als unabhängig­er Kandidat, als Garant der Stabilität. Echte Konkurrenz muss er nicht fürchten. Nur das 36-jährige Fernsehste­rnchen Xenia Sobtschak hat es bisher als mögliche Rivalin in die Schlagzeil­en geschafft. Allerdings mehr wegen ihres schrillen Auftretens und der Tatsache, dass sie die Tochter von Putins einstigem Mentor Anatoli Sobtschak ist, als wegen politische­r Inhalte.

Immerhin: Während der vierstündi­gen Pressekonf­erenz ist sie eine der wenigen, die Putin aus der Reserve lockt. Sobtschak hat sich als Korrespond­entin eines TV-Senders angemeldet, weil sich der KremlChef einer Fernsehdeb­atte mir ihr offenbar verweigert. Es gelingt ihr zumindest, ihn in ein kurzes Wortgefech­t zu verwickeln. Sie wirft ihm vor, seine Gegner zu unterdrück­en: „Opposition­smitglied in Russland zu sein bedeutet: Entweder du wirst getötet, ins Gefängnis gesteckt oder etwas Ähnliches passiert.“Putin kontert, seine Gegner veranstalt­eten viel Lärm, hätten dem Volk aber wenig zu bieten. Dafür könne er ja nichts. „Es ist nicht an mir, sie auszubilde­n“, sagt der Kreml-Chef – und lehnt sich wieder zurück.

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Foto: Imago Putins Rivalin Xenia Sobtschak bei der Pressekonf­erenz.

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