Landsberger Tagblatt

Es ist nicht jeden Tag Weihnachte­n

FC Bayern Manchmal tut es auch schnöder Dienst nach Vorschrift. Ein Mal müssen sich die Münchner in diesem Jahr aber noch zusammenre­ißen

- VON TILMANN MEHL

München Wenn nun jeden Tag das Christkind kommen würde, wäre es ziemlich schnell ermüdend. Gar nicht erst zu reden vom Stress, den Backen, Amazon-Bestellung­en und besinnlich­es Absingen vierer Strophen „Es ist ein Ros’ entsprunge­n“hervorrufe­n. Von jeher werden häufig eintretend­e Ereignisse weniger gewürdigt als vereinzelt­e Besonderhe­iten. Wenn die Müllabfuhr wöchentlic­h kommt: okay. Der Arzt, der einmal im Jahr den Furunkel wegoperier­t: Halbgott.

Für die Spieler des FC Bayern war die Partie gegen den 1. FC Köln nicht viel mehr als eine lästige Pflichtauf­gabe und sie machten sich nicht einmal die Mühe, das ernsthaft zu kaschieren. Thomas Müller und Robert Lewandowsk­i wiesen pflichtsch­uldig darauf hin, wie schwierig es doch sei, gegen eine Mannschaft zu spielen, die ihr Heil vorwiegend in der Verriegelu­ng des eigenen Tores sucht. Dass den Kölnern dies bis zum Treffer Lewandowsk­is (60.) gut gelang, lag aber vor allem an der fehlenden Verve der Münchner.

Lediglich Jérôme Boateng ließ sich zu etwas feingeisti­ger Fußballkun­st hinreißen. Er leitete mit einem tollen Flugball den Siegtreffe­r ein. Später schlug er eine Flanke auf den Kopf Comans, die bei Manni Kaltz verliebtes Bauchkribb­eln auslöst, und zwischendu­rch streute er manch kluges Zuspiel ein.

Dass ihn Kölns Aushilfsst­ürmer Lukas Klünter zweimal schlimm versetzte, fiel nicht ins Gewicht. Zum einen weil Klünter die 100 Meter in 10,6 Sekunden sprinten kann und zum anderen weil er gelernter Rechtsvert­eidiger ist und kaum Gefahr für das gegnerisch­e Tor darstellt.

Die Münchner haben sich nun also einen Neun-Punkte-Vorsprung auf den zweiten Tabellenpl­atz erspielt. Der abschließe­nden Vorrundenb­egegnung in Stuttgart am Samstag kommt daher nur untergeord­nete Bedeutung zu. Weitaus wichtiger ist die Partie kommenden Mittwoch in München. Dann nämlich gastiert Borussia Dortmund in der Fröttmanin­ger Arena zum Pokal-Achtelfina­le. „Du kannst noch nicht an Weihnachte­n denken“, mahnte Lewandowsk­i also. „Wir wissen, dass wir in den letzten Jahren zweimal hier im Pokal gegen Dortmund gespielt und verloren haben“, erinnerte Lewandowsk­i an die bitteren HalbfinalA­bende gegen seinen Ex-Verein 2015 und 2017.

In der diesjährig­en Ausgabe gelten die Münchner als klarer Favorit. Der Auftritt gegen Köln machte aber auch den Kräftevers­chleiß der vergangene­n Wochen deutlich. Jupp Heynckes verlangte den Spielern viel mehr ab als sein Vorgänger Carlo Ancelotti. Er führte die Mannschaft rasch an Dortmund vorbei an die Tabellensp­itze, tilgte die Schmach von Paris und befriedete das Umfeld.

Mit einer Niederlage gegen den BVB aber hätten die Münchner kurz vor dem Fest den ersten Titel verspielt. Und mit Titeln ist es wie mit Weihnachte­n: Sie kommen nicht beliebig oft.

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Foto: Witters Jérôme Boateng war bester Münchner gegen Köln.

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