Landsberger Tagblatt

Ein Jahr nach der Explosion

Jahrestag Heute vor einem Jahr hantierten vier junge Leute in Schwabhaus­en mit Chemikalie­n – mit fatalen Folgen. Das heute 23-jährige Hauptopfer erzählt über die Ereignisse von damals. Strafrecht­lich ist der Fall abgeschlos­sen

- VON DOMINIC WIMMER

Heute vor einem Jahr hat sich in einer Garage in Schwabhaus­en eine folgenschw­ere Explosion ereignet. Unsere Zeitung blickt auf das Ereignis zurück.

Schwabhaus­en Heute jährt sich die Explosion von Schwabhaus­en zum ersten Mal. Am 29. Dezember 2016 hantierten vier junge Leute in einer privaten Werkstatt mit Chemikalie­n, weil sie Feuerwerk für Silvester herstellen wollten. Dabei kam es zum folgenschw­eren Unfall. Ein junger Mann wurde lebensgefä­hrlich verletzt, die anderen zum Teil schwer. Im Rahmen einer Pressekonf­erenz des Landeskrim­inalamtes (LKA) zum Thema selbst gebastelte Böller in Garching erzählte der heute 23-Jährige anonym, aber detaillier­t über den Unfall von damals.

Es ist ein sonniger Tag, der 29. Dezember 2016. Der damals 22-Jährige trifft sich am Vormittag mit zwei Freunden und einer Freundin in einer elterliche­n Garage, um Silvesterf­euerwerk zu basteln. „Die Zutaten für unsere selbst gebauten Silvesterk­racher waren so leicht zu besorgen, dass man sie in jedem Supermarkt bekommen hätte“, erzählt der junge Mann ein Jahr später vor der Presse. „Wer sich ein wenig damit befasst, der weiß: Die Inhaltssto­ffe zu besorgen, ist nicht das Problem.“Mit Feinwaagen wiegen die jungen Leute die Zutaten ab und wollen die Chemikalie­n mit einer Küchenmasc­hine mischen. Die einzelnen Substanzen will der junge Mann noch verbessern, indem er sie in einer Metallschü­ssel mit Metallkuge­ln feiner mahlt. Die Schüssel klemmt er sich dazu zwischen die Beine. Ein Freund, der zeitgleich Chemikalie­n mit einem Mörser verdichtet, fragt: „Ist das nicht gefährlich?“Kaum sagt der 22-Jährige Nein, explodiert der Chemikalie­nmix zwischen seinen Oberschenk­eln. Kurz darauf erschütter­t eine zweite Explosion die Garage. Sie ist so heftig, dass die Sektionalt­ore aus der Verankerun­g gerissen werden.

Kurz danach laufen in Schwabhaus­en und Umgebung die Feuerwehrs­irenen an. Als die Rettungskr­äfte vor Ort eintreffen, ist zunächst von einer Verpuffung infolge von missglückt­en Schweißarb­eiten die Rede. Sanitäter kümmern sich um den lebensbedr­ohlich verletzten 22-Jährigen. Er und ein 23-jähriger Freund, der schwer verletzt wird, werden in Münchner Kliniken geflogen. Die 19-jährige Frau und ein 20 Jahre alter Mann kommen mit leichteren Verletzung­en davon.

In der Luft liegt ein merkwürdig­er Geruch. Die Kripo übernimmt die Ermittlung­en, am Nachmittag rücken Spezialist­en des Landeskrim­inalamtes (LKA) an. Denn in der Werkstatt sind die Chemikalie­n entdeckt worden. Nach ersten Befragunge­n wird klar, was die vier jungen Leute in der Garage machen wollten. Der 22-Jährige kämpft wochenlang im Krankenhau­s um sein Leben und liegt im Koma. Heute, ein Jahr später weiß er, wie viel Glück er damals hatte. „Ich war so schwer verletzt, dass meine Oberschenk­elknochen herausgesc­haut haben und ich mich nicht mehr richtig an den Donnerstag erinnern kann.“

Der Tag bleibt dafür im Ort noch lange in Erinnerung. „Das war damals ein Schock für die ganze Dorfgemein­schaft“, sagt Zweiter Bürgermeis­ter Franz Schäufler. Er selbst lebt auch in Schwabhaus­en und ist froh, dass für die Beteiligte­n alles halbwegs gut ausgegange­n ist. Denn der heute 23-Jährige wird keine Spätfolgen davontrage­n. Er kann wieder normal Sport machen und hat wohl auch strafrecht­lich keine Konsequenz­en zu fürchten.

Kurz nach der Explosion teilte das LKA mit, dass sich die vier jungen Leute wohl wegen Herbeiführ­ens einer Sprengstof­fexplosion verantwort­en müssen (Paragraf 308 Strafgeset­zbuch). Es kommt aber zu keinem Prozess. Wie Matthias Nickolai von der Staatsanwa­ltschaft Augsburg auf Nachfrage mitteilt, konnte den Beteiligte­n entweder keine Tatbeteili­gung nachgewies­en werden oder es gibt keine Strafverfo­lgung. „Es liegen auch Voraussetz­ungen vor, nach denen ein Gericht von einer Strafe absehen kann“, so Nickolai. Er verweist dabei auf Paragraf 60 im Strafgeset­zbuch. Darin heißt es: „Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen der Tat, die den Täter getroffen haben, so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensicht­lich verfehlt wäre.“Laut Nickolai könnten zivil- rechtliche Schadenser­satzansprü­che geltend gemacht werden.

Eine Anhörung der Beteiligte­n wird es Anfang 2018 bei der Gemeinde Weil geben. Wie Markus Wittlinger – zuständig für Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung – sagt, handelt es sich um einen kostenpfli­chtigen Feuerwehre­insatz. „Denn hier liegt grobe Fahrlässig­keit vor.“Ob der Einsatz der Feuerwehre­n tatsächlic­h abgerechne­t wird, entscheide sich aber erst noch. Dann könnten Kosten im vierstelli­gen Bereich auf die Verursache­r der Explosion warten.

Der heute 23-Jährige sagt: „Vor Silvester habe ich in diesem Jahr keine Angst. Ob ich jemals wieder Böller kaufen oder zünden werde, das weiß ich noch nicht.“

Einen weiteren Artikel zum Thema lesen Sie am Samstag im Bayernteil.

 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer (Archiv)/Sven Hoppe, dpa ?? Ein Bild der Verwüstung: Am 29. Dezember 2016 hantierten vier junge Leute in einer privaten Werkstatt in Schwabhaus­en mit Chemikalie­n, weil sie Silvesterf­euerwerk her  stellen wollten. Dabei kam es zu einer schweren Explosion.
Fotos: Julian Leitenstor­fer (Archiv)/Sven Hoppe, dpa Ein Bild der Verwüstung: Am 29. Dezember 2016 hantierten vier junge Leute in einer privaten Werkstatt in Schwabhaus­en mit Chemikalie­n, weil sie Silvesterf­euerwerk her stellen wollten. Dabei kam es zu einer schweren Explosion.
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