Wie vor 100 Jahren ihr Siegeszug begann
Verbrechen In einem Drogeriemarkt ersticht ein 15-jähriger Afghane ein gleichaltriges Mädchen. Kunden erleben alles mit. Die Eltern des Opfers hatten den Täter vorher bei der Polizei angezeigt
Kandel Mitten in einem Drogeriemarkt hat ein 15-jähriger afghanischer Asylbewerber seine gleichaltrige Ex-Freundin, eine Deutsche, umgebracht. Vieles an dem Verbrechen in Kandel, einem Ort mit 9000 Einwohnern in der Südpfalz, deutet auf eine Beziehungstat hin. Der Tatverdächtige – ein sogenannter unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling – war polizeibekannt. Die Eltern des Opfers hatten den 15-Jährigen Mitte Dezember wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung angezeigt. Er soll das Mädchen nach Ende der mehrmonatigen Beziehung über soziale Netzwerke und telefonisch immer wieder bedrängt haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte sich die jetzt erstochene Jugendliche Anfang Dezember von ihm getrennt, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig. Das Verbrechen hatte sich am Mittwochnachmittag in der Drogerie abgespielt. 15 bis 20 Menschen waren zu dieser Zeit im Markt. Dem jungen Tatverdächtigen drohen jetzt bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Ein paar Blumen, ein paar Kerzen – viel mehr ist es nicht, was gestern vor dem Drogeriemarkt im südpfälzischen Kandel noch an das Verbrechen vom Vortag erinnert. Bände sprechen aber die Gesichter von Menschen, die in der Nähe waren, als der Jugendliche das Mädchen tötete. Zu ihnen gehört etwa die 31-jährige Diana Jäger: „Ich habe Schreie gehört und den Streit“, berichtet die mitgenommen wirkende Frau. Sie habe in der weitläufigen Filiale am Ortsrand gerade Fotos ausdrucken wollen, als die Tat passiert sei. Die Frau war dann zusammen mit anderen Marktbesuchern in Richtung der Kosmetikabteilung gelaufen. Das Mädchen habe da bereits am Boden gelegen, umringt von anderen Jugendlichen. Jemand habe den Namen der Verletzten gerufen – und Sätze wie „Bleib da!“ und „Bleib wach!“seien zu hören gewesen. Der Afghane sei nach den Stichen von Passanten festgehalten worden. „Der stand einfach nur da und hat nichts gesagt.“Der Leiter der Ermittlungsgruppe, Dieter Lippold, erläutert: „Er hat sich widerstandslos festnehmen lassen.“
Die 15-Jährige wurde durch die Stiche so schwer verletzt, dass sie später im Krankenhaus starb. Noch am Vormittag des Tattages hatten Polizisten dem Jugendlichen eine Vorladung aufgrund einer Strafanzeige wegen Körperverletzung persönlich ausgehändigt. Bereits zuvor hatte die Polizei eine sogenannte Gefährderansprache gemacht und den Jugendlichen auf sein Verhalten angesprochen und ihn gewarnt. „In aller Regel fruchten solche Ansprachen auch“, sagte Polizeivizepräsident Eberhard Weber.
Das genaue Motiv ist aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft aber noch unklar. „Wir sind am Anfang der Ermittlungen“, sagte Oberstaatsanwältin Möhlig. Im Raum stehe eine Beziehungstat, dies müssten aber noch die weiteren Ermittlungen klären. So sollen Aussagen von Zeugen sowie Spuren ausgewertet werden, außerdem sollte die Leiche des Mädchens rechtsmedizinisch untersucht werden.
Gegen den 15-Jährigen, den die Staatsanwaltschaft für strafmündig hält, erließ ein Richter Haftbefehl wegen Totschlags. Er kam in eine Jugendstrafanstalt. Die Ermittler wollen nun auch prüfen, ob Mord als Vorwurf infrage kommt.
Die Höchststrafe liegt in beiden Fällen im Jugendstrafrecht bei zehn Jahren. Das Messer hat der Jugendliche nach bisherigen Ermittlungen in den Markt mitgebracht. Er hat sich laut Staatsanwaltschaft bislang nicht zu der Tat geäußert. Überprüft werden soll auch, ob er tatsächlich 15 ist.