Was furchtlosen Rettern Angst macht
Gewalt Zum Jahreswechsel werden in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute brutal attackiert. Gewerkschafter fordern härtere Strafen für die Täter
Berlin Sie wollten Feiernde beschützen, Verletzte retten oder Brände löschen – und wurden selbst Opfer von Übergriffen. In mehreren deutschen Städten sind Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten bei Einsätzen am Jahreswechsel attackiert und zum Teil verletzt worden. Im Leipziger Szeneviertel Connewitz warfen rund 50 mutmaßlich linksextreme Randalierer mit Steinen, Böllern und Flaschen auf Polizisten. In Stuttgart gab es Verletzte, weil Polizisten und Feuerwehrleute durch Feuerwerkskörper bei der Arbeit behindert wurden. Auch in Berlin wurden Polizei und Feuerwehr über Stunden immer wieder mit Böllern und Flaschen beworfen. Und die Besatzung eines Rettungsfahrzeugs der Feuerwehr wurde gar mit Schusswaffen bedroht. So schrieb die Berliner Feuerwehr am Neujahrstag: „Acht Angriffe auf Einsatzkräfte und 57 Angriffe auf Einsatzfahrzeuge mit erheblichem Sachschaden machen uns sehr nachdenklich und betroffen.“
Tobias Thiele, Sprecher der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, sieht in den Vorfällen nur unrühmliche Höhepunkte einer Entwicklung, die vor wenigen Jahren begonnen hat. „Leider Gottes nimmt das immer mehr zu“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Dass Feuerwehrleute behindert, bedroht und beleidigt würden, sei in vielen deutschen Städten inzwischen an der Tagesordnung.
Die Täter seien etwa enthemmte Partygäste oder Betrunkene, die aus einer Gruppe heraus übergriffig würden. „Dann fliegen Böller oder Flaschen, werden Kollegen beschimpft.“Wie jetzt in Leipzig oder während der Krawalle rund um den G20-Gipfel in Hamburg komme es auch immer wieder zu politischer, oft linksextremistisch motivierter Gewalt gegen Feuerwehrleute, die als Teil der verhassten Staatsmacht gesehen würden. Und in manchen Vierteln bestimmter deutscher Städte seien es Familienclans mit Migrationshintergrund, die immer wieder Rettungskräfte angingen.
„Viele Kollegen haben inzwischen Angst vor Einsätzen in manchen Gegenden“, sagt Thiele. Und seine Kollegen seien nun nicht gerade furchtsame Zeitgenossen. Ihr Beruf bringe von Haus aus viele Gefahren mit – Feuer, giftiger Qualm, Naturgewalten, einstürzende Ge- bäude –, doch das seien Risiken, die einzuschätzen sie gelernt hätten. „Dass wir allerdings mit Waffen angegriffen werden, ist eine ganz neue Dimension.“Erste Feuerwehren halten laut Thiele für bestimmte Einsätze schon Schutzwesten bereit.
Nicht nur gewalttätige Angriffe machen der Feuerwehr Sorgen. Viele Autofahrer seien nicht bereit, Gassen für Retter freizumachen oder den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge zu leisten. „Manche halten es heute leider für ihr gutes Recht, am Unfallort Selfies zu schießen oder die Bergung von Opfern mit der Handykamera zu filmen.“
Thieles Fazit: „Der Respekt lässt nach.“Die Feuerwehrgewerkschaft fordert deshalb, dass die Angreifer die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Es sei richtig, dass die Strafen zuletzt verschärft wurden. Doch in der Praxis würden Angriffe auf Rettungskräfte oftmals als Bagatelldelikte abgetan, viele Fälle letztlich eingestellt. Dies sorge für „großen Frust bei den Kollegen“, so Thiele. Die Feuerwehr müsse zu- dem darüber nachdenken, Einsatzfahrzeuge mit Kameras auszurüsten, um etwa die Kennzeichen von Autos aufzuzeichnen, deren Fahrer Rettungsarbeiten behindern.
Auch Vertreter der Polizeigewerkschaften verurteilten die Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht und forderten harte Strafen für die Täter. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nennt die Attacken „absolut inakzeptabel“, sie müssten konsequent geahndet werden. Die Angriffe zum Jahreswechsel seien keine Ausnahmen: „Polizisten und Rettungskräfte werden alltäglich brutal attackiert.“Die Einsatzkräfte riskierten Gesundheit und Leben, um den Rechtsstaat zu verteidigen und anderen zu helfen. Auch Maas will Angriffe auf Einsatzkräfte härter bestraft sehen. Dazu seien im vergangenen Jahr die Gesetze verschärft worden. Attacken gegen Polizisten und andere Amtsträger können nun schon mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden, wenn sie bei „allgemeinen Diensthandlungen“wie einer Streifenfahrt verübt worden sind. Zuvor galt dies nur bei Straftaten, die in Zusammenhang mit einer „Vollstreckungshandlung“, etwa einer Festnahme, erfolgt sind.
Auch bei den alltäglichen Einsätzen wird gepöbelt