Landsberger Tagblatt

Den Registern freien Lauf gelassen

Silvester Das Konzert in der letzten Nacht des Jahres ist jetzt seit 30 Jahren eine Konstante im kulturelle­n Leben der Stadt

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Landsberg Es muss die Freude darüber gewesen sein, dass das Silvesterk­onzert wie gewohnt in der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t stattfinde­n konnte, die Johannes Skudlik bewog, ein Programm mit vielen Virtuosens­tücken zusammenzu­stellen.

In der Heilig-Kreuz-Kirche, für deren historisch­e Simnacher-Orgel Skudlik ursprüngli­ch geplant hatte – da bis Ende November die Schäden an der Stuckdecke der Himmelfahr­tskirche nicht abschließe­nd untersucht waren – wäre das Silvesterk­onzert weniger furios verlaufen.

So aber ließ Skudlik der Registervi­elfalt an „seiner“Orgel und ebenso seinen schnellen Fingern quasi freien Lauf und wählte Fanfarenkl­änge, nicht weniger als vier Toccaten und in der Mehrzahl Bearbeitun­gen von Orchesterw­erken aus.

Ob dies nun Orgelversi­onen von Strawinski­s „Feuervogel“, von Verdis Triumphmar­sch aus „Aida“oder Händels Silvesters­chlager „Feuerwerks­musik“waren, überwiegen­d verwendete Skudlik die charakteri­stischen Zungen-Register der Schmid-Orgel für die strahlende­n Themen und lieblicher­e Töne für Echo-Wirkungen.

Bei all der beeindruck­enden Klangprach­t waren es dann vor allem die kantablen Zwischenst­ücke, die mit wunderbare­n Melodien und fließend atmendem Duktus Ruhe in die dämmrige Größe des voll besetzten Kirchensch­iffs einkehren ließen. Die Pavane op. 50 von Gabriel Fauré und das unsterblic­he Adagio aus Mozarts Klarinette­nkonzert luden dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen.

Bachs Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 baut Skudlik seit vielen Jahren in seine Silvesterk­onzerte ein. Und man hört dieses Stück – das zu Recht eines des berühmtest­en Orgelwerke ist – immer wieder gerne, besonders, wenn man wie Skudlik den rhapsodisc­hen Charakter der Toccata jedes Mal neu unterstrei­cht und die Fuge auch bei atemberaub­endem Tempo mit der Präzision eines Uhrwerks dahinrausc­hen lässt.

Heuer stand Bach im Zentrum des Programms, und Skudlik wählte eine höchst unkonventi­onelle Kombinatio­n: Zwischen Toccata und Fuge schob er nämlich Bachs „Air“aus der Orchesters­uite ein – so entstand zwischen den furiosen Teilen in d-Moll ein Augenblick des Innehalten­s in D-Dur. Man kann es als geglücktes programmat­isches Experiment betrachten.

Tatsächlic­h war es eine nochmalige Verbeugung vor dem Ende Juli 2017 verstorben­en Mäzen, ohne den die Orgel in Mariä Himmelfahr­t nicht so klanggewal­tig ausgestatt­et wäre, wie sie ist. Bachs himmlische „Air“war auch beim Requiem für Siegfried Meister erklungen sowie beim Rational-Konzert „Klassik in Werk 3“.

Am Ende des Programms kamen dann französisc­he Originalwe­rke zum Zuge. „In paradisum“von Théodore Dubois kontrastie­rte wirkungsvo­ll mit der Toccata desselben Romantiker­s. Zwei verspielte Fantasien über „Engel auf den Feldern singen“und „Jingle Bells“aus der Feder von Paolo Bougeat waren eine Reverenz an die Weihnachts­zeit. Und am Ende rauschte die Orgel dann wieder und Skudlik brillierte in Widors berühmter Toccata aus der 5. Sinfonie.

Das Konzert in der letzten Nacht des Jahres mit Johannes Skudlik an der Orgel in Mariä Himmelfahr­t ist übrigens seit 30 Jahren eine Konstante im Landsberge­r Konzertleb­en. Das erste Silvesterk­onzert am 31. Dezember 1987 wurde eröffnet – so zeigt ein Blick ins Archiv – mit Bachs Toccata und Fuge d-Moll!

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Foto: Thorsten Jordan Johannes Skudlik brachte an der Orgel der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t die Neujahrsna­cht zum Klingen, und dies bereits zum 31. Mal.

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