Gebeine bleiben in den Kartons
Brudergassen Friedhof 900 Skelette wurden in die Anthropologische Staatssammlung nach München gebracht. Sie sind ein Bodendenkmal. Deshalb sollen sie nicht mehr in Landsberg begraben werden
Landsberg Die rund 900 Skelette, die 2015 und 2016 aus einem ehemaligen Friedhof an der Landsberger Brudergasse geborgen und in die Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie nach München gebracht wurden, werden trotz der Rufe nach einer Rückgabe wohl nicht mehr nach Landsberg zurückkommen. Dr. George McGlynn, Oberkonservator der Staatssammlung, begründet dies mit den wissenschaftlichen Erfordernissen: „Wenn die Skelette nach Landsberg zurückgegeben werden, nehme ich an, dass sie nicht aufbewahrt, sondern wieder bestattet werden, und dann war unsere Arbeit sinnlos.“
Wie anlässlich der Bestattung weiterer Gebeine vor Weihnachten berichtet, wird das Knochenmaterial vom Brudergassen-Friedhof noch immer für die Erforschung aufbereitet. Die Funde werden gereinigt, gebrochene Knochen zusammengeklebt, um wieder ein vollständiges Skelett zu erhalten, so McGlynn – ein arbeitsaufwendiger Prozess. „Ein Skelett eines erwachsenen Menschen dauert etwa einen halben Tag“, erklärt der Wissenschaftler – bei 900 Exemplaren sind das praktisch zwei Arbeitsjahre. Die so aufbereiteten Skelette werden dann in Kisten, die etwa so groß wie ein Schuhkarton sind, im Magazin der Staatssammlung in Dornach östlich München gelagert – zusammen mit rund 68000 anderen Skeletten. Wann tatsächlich mit dem Landsberger Fund gearbeitet wird, ist laut McGlynn offen. An einer vollständigen Dokumentation der Funde würde ein erfahrener Osteologe (Osteologie ist die Lehre vom Bau und den Krankheiten der Knochen beziehungsweise des Skelettsystems) sechs bis sieben Jahre arbeiten.
Ohne späteren Forschungsergebnissen vorzugreifen, misst Oberkonservator McGlynn den Skeletten aus der Brudergasse eine wissenschaftliche Bedeutung zu. Das Gräberfeld sei an der Schnittstelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit in einer Zeit einer sich intensivierenden Verstädterung angelegt worden. In einem Friedhof aus dieser Zeit fänden sich Hinweise auf sich daraus ergebende neue Krankheitsbilder und -verläufe. Bei der Freilegung der Bestattungsplätze sei bereits einiges aufgefallen. Möglicherweise seien darunter auch sogenannte Kalkgräber. Über die Toten wurde Kalk gestreut, der zur Desinfizierung diente, was etwa bei Seuchenzügen und Massenbestattungen Bedeutung haben konnte.
An den sterblichen Überresten werde sich beispielsweise ablesen welche beruflichen Tätigkeiten ausgeübt wurden, was gegessen wurde und wie die Menschen gelebt haben, McGlynn spricht dabei von „Aktivitätsmustern“. Die Archäologie könne so das ergänzen, was teilweise etwa in den Kirchenbüchern schriftlich festgehalten wurde. So gäben solche Funde auch Aufschluss über Behinderungen oder physische Auffälligkeiten der Menschen, die auf dem Friedhof hinter der Johanniskirche bis ins 19. Jahrhundert hinein bestattet wurden.
Rechtlich gesehen handle es sich bei den Gebeinen um ein Bodendenkmal, betont McGlynn. Deshalb wäre eine Wiederbestattung ein Verstoß gegen die Rechtslage, führt der Wissenschaftler weiter aus. Im Hinblick auf den wissenschaftlichen Wert käme eine solche Wiederbestattung der Zerstörung eines Bodendenkmals gleich. Daher, so die Überzeugung McGlynns, sei es auch im Interesse der Stadt und der Stadthistorie, die Funde in der Staatssammlung zu belassen. Man könne die dortige Aufbewahrung auch als eine Art Bestattung betrachten, meint McGlynn, der versichert: „Die Gebeine werden hier pietätvollst behandelt.“
Eine denkmalgerechte Lagerung sei auch deswegen erforderlich, weil sich in der Zukunft vielleicht auch neue Fragestellungen und Forschungsmethoden ergeben könnten. Deshalb müssten die Gebeine konvon
In einigen Gräbern fand sich auch Kalk
servatorisch gesichert bleiben. Die vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet einzige Möglichkeit, die Gebeine nach Landsberg zurückzubringen wäre für McGlynn gegeben, wenn die Stadt Landsberg dafür eine Art Mausoleum errichten würde. „Das ist aber auch eine filassen, nanzielle Frage“, gibt der Forscher zu bedenken.
Wie mit den Gebeinen weiter verfahren werden soll, war kurz vor Weihnachten auch Thema einer Gesprächsrunde mit Vertretern der Denkmalpflege, Stadt und Kirchenstiftung Mariä Himmelfahrt.