Musizieren hält geistig frisch Eckart Altenmüller
Hirnforschung Jetzt will die Wissenschaft die starke Vermutung, dass das Spielen eines Instruments deutliche Vorteile auch im Alter bringt, eindeutig belegen
Hält Musizieren tatsächlich jung? Eckart Altenmüller: Definitiv, dazu gibt es bereits Studien. So wurde festgestellt, dass die Gehirne von musizierenden Amateuren im Schnitt etwa fünf Jahre jünger sind als die Gehirne von Menschen, die keine Musik machen. Musizieren ist ein ganz starker Reiz für unsere Neuroplastizität, also für die Hirnvernetzung, weil es eine so komplexe Tätigkeit ist. Dazu gehören das Hören, Bewegen, Fühlen, Sehen und vor allem das Planen. Beim Musizieren muss man sich immer auf neue Situationen einstellen, es hält fit im Alter. Andere kreative Tätigkeiten wie Malen halten übrigens auch jung.
Im Rahmen Ihres neuen Projekts an der Musikhochschule Hannover sollen rund 100 Senioren im Alter von 64 bis 76 Jahren insgesamt 12 Monate lang entweder Klavierunterricht oder eine theoretische Musikausbildung erhalten. Welche Effekte erwarten Sie beim Spielen im Gegensatz zu der Gruppe, die nur in Musiktheorie unterrichtet wird?
Altenmüller: Beim aktiven Spiel erwarten wir vor allem eine Verbesserung der Vernetzung der Hirnregionen, die für Bewegung und Wahrnehmung zuständig sind. Diese verbesserte Vernetzung wird sich vermutlich auch in Verhaltensänderungen zeigen – wie einer besseren Reaktionsfähigkeit oder einem besseren Arbeitsgedächtnis. Außerdem erwarten wir eine Verbesserung der Stimmung. Die Hirnregion Hippocampus, die mit Stimmung und Gedächtnis zu tun hat, ist sehr empfindlich bei älteren Menschen. Hier können sich auch im Alter noch neue Zellen bilden. Ich bin überzeugt davon, dass wir in bildgebenden Verfahren wie MRT und MRE einige Veränderungen sehen werden.
Ist Ihre Untersuchung, für die die Deutsche Forschungsgemeinschaft 427 000 Euro bereitstellt, neu oder bauen Sie auf Vorgängerstudien auf? Altenmüller: Es gibt eine knapp zehn Jahre alte verwandte Studie des Neurologen Arne May. Er hat älteren Menschen Jonglieren mit drei Bällen beigebracht und davor und danach die Gehirnstrukturen gemessen – ähnlich wie wir es vorhaben. Diejenigen, die das Jonglieren gelernt hatten, zeigten tatsächlich Anpassungen im Gehirn. Wir selbst haben ein musikunterstütztes Training für Schlaganfall-Patienten entwickelt, bei dem die beeinträchtigten Patienten Tonfolgen am Klavier spielen. Positive Effekte durchs aktive Musizieren werden auch bei Patienten mit Parkinson oder Multipler Sklerose erzielt. Wo liegen die Grenzen der Heilkraft von Musik?
Altenmüller: Der Musik kommt heute vor allem eine unterstützende Rolle zu: Sie wird bei den Krankheiten Parkinson und Multipler Sklerose zusätzlich zu Medikamenten eingesetzt. Ihre Heilkraft ist seit Jahrtausenden bekannt. Wahrscheinlich haben die Schamanen in der Steinzeit schon Musik für magische und heilende Zwecke eingesetzt. Beispiele gibt es auch aus der Bibel: Immer wenn die dunklen Wolken kamen und ihn depressive Stimmungen übermannten, bat König Saul David, für ihn Harfe zu spielen. In der Antike gehörte Musik zur Therapie: Der Heilgott Apollo war gleichzeitig der Gott der Musen, also der Künste und vor allem der Musik. Eckart Altenmüller, 1955 in Rottweil/ Baden Württemberg geboren, hat Medizin, Musikwissenschaft und Querflöte studiert. Er ist Facharzt für Neurologie und gibt als Instru mentalist auch Konzerte. Alten müller steht als Direktor dem Institut für Musikphysiologie und Musiker medizin in Hannover vor, das sich auch mit negativen Folgen von Musik beschäftigt, nämlich Krankhei ten von Berufsmusikern. (AZ)