Auf dem Personalkarussell fährt keiner gleich schnell
Ob die GroKo kommt, ist unklar. Doch darüber, wer was werden könnte, wird schon eifrig spekuliert
Berlin Schlagersänger Jürgen Marcus trällerte einst „Auf dem Karussell fahren alle gleich schnell“. Doch beim Personalkarussell sieht die Sache ganz anders aus, denn da muss schließlich irgendjemand zuerst ins Ziel kommen. Die Spekulationen darüber, wer was wird in einer neuen Großen Koalition, sind längst entbrannt, obwohl unklar ist, ob diese Konstellation Realität wird.
Nach dem schlechtesten Unionsergebnis der Nachkriegszeit im Bund versuchte Angela Merkel, die Enttäuschung bei den Nachwuchshoffnungen der Partei zu dämpfen. Die Kanzlerin versprach der murrenden Unionsjugend: Bei der Regierungsbildung wolle sie „neue Köpfe“berücksichtigen. Demnächst muss die 63-Jährige liefern. Weite Teile der Unionsbasis erwarten Erneuerung. Weiblicher, jünger, einfach frischer sollen die Spitzen von Regierung und Partei werden. Die Zeit drängt. Geht es nach ihr, soll ihr drittes schwarzrotes Kabinett noch vor Ostern die Arbeit beginnen. Auch deswegen kursieren schon Gedankenspiele: Wer fliegt raus, wer hat Chancen, aufzusteigen? Beim Treffen mit dem jungen rechtskonservativen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz liefert Merkel auf die Frage einer Reporterin ihr Rezept für Erfolg im Team: „Ich bin immer dafür, dass wir ’ne gute Mischung aus allem haben. Und bin nicht dafür, dass man sagt: nur die Jüngeren, nur die Älteren, nur die Frauen, nur die Männer.“
Und weil Merkel weiß, dass es in der Union einige gibt, die sie am liebsten rasch vom Hof jagen würden, macht sie schnell noch ihren Machtanspruch klar: So wie von ihr beschrieben, werde „die CDU – deren Vorsitzende ich ja bin – versuchen, weiter zu agieren“. Die wichtigste Frage in der Union für den Fall, dass auch die GroKo platzt: Würde Merkel wie angekündigt bei einer Neuwahl erneut antreten? Sicher ist man sich da in CDU und CSU nicht. Für den Fall eines raschen Stabwechsels ist in der Partei vor allem ein Name zu hören: Ursula von der Leyen. Die geschäftsführende Verteidigungsministerin wird zwar nicht geliebt – das ist an ihren Ergebnissen bei den Vize-Wahlen abzulesen. Aber die Niedersächsin gilt als Frau mit dem ausgeprägtesten Machtwillen in der CDU.
Bleibt mehr Zeit für den Übergang, dürfte Saar-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer gute Karten haben. Das Manko: Obwohl Kramp-Karrenbauer bei den Sondierungen mit dabei war, gilt sie bundesweit als zu unbekannt für eine rasche Kanzlerkandidatur. Ein Wechsel ins Bundeskabinett könnte da helfen. Doch ob das so rasch gehen könnte? Auch der Merkel-Vertraute Peter Altmaier ist von der Saar und gilt als gesetzt für das Finanzressort, wenn es nicht die SPD unbedingt beansprucht. Will Merkel ihr Ziel erreichen, dass künftig jedes zweite Mitglied ihrer Regierung weiblich ist, haben die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner und Annette WidmannMauz aus Baden-Württemberg Chancen. Letztere ist schon lange Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsressort von Minister Hermann Gröhe – ihr Name wird auch im Zusammenhang mit dem bisher von der SPD besetzten Familienministerium genannt.
Und was wird aus Horst Seehofer? Der Bayer kann sich als CSUChef wohl nur mit einem starken Amt halten, wenn er wie angekündigt den Posten als Regierungschef an seinen langjährigen Lieblingsrivalen Markus Söder übergibt. Denkbar wäre der Posten eines Arbeitsund Sozialministers.
Bleiben noch die Ambitionen von Jens Spahn. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium profiliert sich gerne als MerkelKritiker und wird von vielen hochgeschätzt, die sich für besonders konservativ halten. Dass er für ein Ministeramt infrage kommt, bezweifeln nicht mal jene, die ihn für überambitioniert halten. Doch noch ist der NRW-Proporzplatz im Kabinett von Gröhe besetzt – und der würde gerne Minister bleiben.
So könnte es sein, dass Spahn am Ende Staatssekretär bleiben müsse, heißt es. Nicht auszuschließen sogar, dass er dann unter einem Sozialdemokraten arbeiten muss: Falls nämlich SPD-Chef Martin Schulz Außenminister werden sollte – und der derzeitige geschäftsführende Amtsinhaber Sigmar Gabriel womöglich das Finanzministerium bekommt. Jörg Blank, dpa