Die Leute auf dem Land sind nicht dämlich
Der Nord-Tatort gestern Abend strapazierte einmal mehr ein nerviges Klischee
Es mochte vielleicht auch damit zu tun gehabt haben, dass es schon die 1049. Folge eines Tatorts war, in der Axel Milberg als Kieler Kommissar Klaus Borowski gestern Abend ermitteln durfte. Dass mal wieder ein Klischee breit getreten wurde. So breit, dass es nur allzu stereotyp daherkam. Welches Klischee ist gemeint? Das Klischee von der dämlichen Landbevölkerung. Nun, gestern war es die Bevölkerung der fiktiven nordfriesischen Insel Suunholt. Mal grundsätzlich: Wie oft wird noch in einer deutschen TV-Produktion Landvolk als einfältig, gestrig-religiös, maulfaul, über-misstrauisch, weltfern, übergewichtig und hässlich, schlecht gekleidet und dialektbeschädigt dargestellt? Mit Dreck unter den Fingernägeln, ausgeblichenen Küchenschürzen und roten Äderchen auf den Wangen und der Nase? Man erinnere sich nur an die Darstellung der Allgäuer Bevölkerung in den Kluftinger-Verfilmungen. Über die sich seinerzeit zurecht viele Menschen hier in unserer Region aufgeregt haben.
Wer auf dem Land lebt oder gelebt hat, weiß, dass natürlich das eine oder andere Klischee real sein kann. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Auf dem Land finden sich unter den Menschen auch ganz feine Eigenschaften: Hilfsbereitschaft, Nachbarschaft im guten Sinne, Gemeinsinn, Unaufgeregtheit, Sinn für das Praktische und Wesentliche, Naturverbundenheit, viel handwerkliches Geschick – und ein Leben im Rhythmus mit den Jahreszeiten.
Wer aus der Großstadt kommt und im Dorf spazieren geht, wundert sich oft, dass er auf der Straße gegrüßt wird, obwohl man sich nicht kennt. Diebstahl ist auf dem Land viel weniger verbreitet. Wenn man dort mal über Nacht seinen Wagen nicht abschließt, passiert in der Regel nichts. Der Bildungsstand auf dem Land ist auch nicht niedriger als in der Stadt. Und arm sind die Menschen in den meisten ländlichen Regionen (zumindest Westdeutschlands) schon lange nicht mehr. Auf dem Land findet man zudem viele Menschen, die – wenn vielleicht auch nicht bewusst – quasi englisches Understatement pflegen.
Woher kommt es dennoch, dass das Klischee der dämlichen Landbevölkerung immer wieder in Fernsehproduktionen transportiert wird? Wahrscheinlich, weil viele Drehbuchautoren und Regisseure intensiv von der großstädtisch geprägten Filmwelt geprägt werden. Selbst dann, wenn sie ursprünglich nicht aus der Stadt kamen.
Für die Zukunft: Bitte keine solchen Plattitüden mehr im Tatort. Wer davon nicht wegkommt: Ab aufs Land! Und sich dort einmal unvoreingenommen inspirieren lassen.