Die Villa Rot holt die Natur ins Haus
Ausstellung Das Museum zeigt Gegenwartskunst aus organischen Materialien – und die Experimente eines Augsburgers
Burgrieden Rot In der Villa Rot ist die Natur im Gleichgewicht. Im wörtlichen Sinn: Denn die Mammutund sonstigen urzeitlichen Knochen hängen in schönster Balance. Dumm nur, dass sämtliche Tiere bereits ausgestorben sind. Das Mobile ist der Blickfang der Ausstellung „Vieh“des Augsburger Künstlers Maximilian Prüfer, der sich mit Kunst aus und über Natur einen Namen gemacht hat: mit Bildern beispielsweise, die statt Pinselstrichen die Spuren von Schnecken und Aaskäfern zeigen. Bei Prüfer, Jahrgang 1986, ist der Übergang zwischen wissenschaftlichem Experiment und Kunst fließend. Und der zwischen Natur und Kultur.
Dabei ist das Verhältnis der beiden Letzteren kompliziert: Schließlich schließen sie einander eigentlich aus – Natur ist, was wild und vom Menschen unberührt ist. Kultur ist der Versuch, die Natur zu bändigen und zu entschlüsseln. Für den Museums- und Galeriebetrieb hieß das lange Zeit: Natur ist, was draußen bleibt. Mit der Land-Art und der Hinwendung zu Materialien wie Baumrinde oder Erde mit der italienischen Arte Povera begann die neue Karriere von relativ unbearbeiteten Naturstoffen in der bildenden Kunst. Wie bereichernd diese Verbindung sein kann, beweist das Museum Villa Rot im oberschwäbischen Burgrieden-Rot (Landkreis Biberach) mit zwei neuen Ausstellungen.
Maximilian Prüfers Einzelschau „Vieh“in der Kunsthalle lässt den Betrachter verblüfft zurück. Denn das Knochen-Mobile wird flankiert von 100 seiner Schmetterlingsdrucke. Der Augsburger hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Pigmente der Falter auf (in diesem Fall schwarzes) Papier übertragen lassen, wobei sogar das Schillern der Flügel erhalten bleibt. Die verschiedenen Schmetterlinge hat er natürlich nicht selbst gefangen und getötet, sondern im Internet erworben: Ware, die von Sammlern als mangelhaft aussortiert wurde.
Die Einzelpräsentation begleitet die Themenschau „Formen der Natur“, die ursprünglich für das Museum der Westküste auf der nordfriesischen Insel Föhr konzipiert wurde. Sie umfasst Positionen internationaler Künstler, die die Natur als Inspirationsquelle und Materiallieferant nutzen. So wie der Brite Alastair Mackie, der Schulpe von Tintenfischen mit einer Schleifmaschine bearbeitet, zuschneidet und zu geometrischen Tableaus zusammensetzt. Oder der Waliser David Nash, der unbearbeitete Korkstücke zu einer Kuppel („Cork Dome“) arrangiert. Ähnlich arbeitet auch Charlotte Vögele, die – nicht tragbare – Kleider und Schuhe aus Birkenrinde und Maisstroh schneidert. Ebenfalls hübsch, wenn auch ein wenig wie aus dem Bastelbuch entflohen, sind die insektenähnlichen Wesen aus Laub und Rispen, die Regine Ramseier über die Museumswände krabbeln lässt.
Scheinen diese Arbeiten „Zurück zur Natur!“zu rufen, ist bei den Exponaten im ersten Stock des Museums der Zugang intellektueller. Björn Drenkwitz arbeitet nicht mit Naturstoffen, sondern hat sich mit der nationalen Symbolik von Pflanzen beschäftigt: von der deutschen Eiche über die englische Rose bis zur spanischen Nelke. Diese wachsen nun in einem großen Pflanzkübel um die Wette, wobei einem gleich Begriffe wie Territorium oder Heimaterde in den Sinn kommen – die einzige explizit politische Arbeit in „Formen der Natur“.
Ebenfalls bemerkenswert sind die Beiträge des Schweizers Mirko Baselgia: Die Tannenzapfen, die wie vom Baum gepflückt wirken, sind ebenso aus Bronze wie die seltsame Struktur in einer Raumecke. Was wie ein Ast aussieht, ist der Abguss eines Murmeltierbaus. Natur, haltbar gemacht für die Ewigkeit – mit einer Technik, mit der einst Reiterstandbilder geschaffen wurden. Ehre, wem Ehre gebührt.
Besucherinformation Die beiden Ausstellungen laufen bis 3. Juni. Geöffnet Mittwoch bis Samstag 14 17, Sonn und Feiertag 11 17 Uhr.