Der Kreuz Streit schwelt weiter
Debatte Markus Söder bekommt wegen der Kreuz-Pflicht nun Gegenwind aus dem eigenen Kabinett. Und auch die Landtagspräsidentin mischt sich in die Diskussion ein – und erntet heftige Kritik
München Die Kritik an Söders Kreuz-Vorstoß reißt nicht ab. Schon vor der jüngsten Schelte von Kardinal Marx (siehe Bericht Seite 1) bekam Bayerns Ministerpräsident sogar Gegenwind aus den eigenen Reihen – und zwar von Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (CSU). Die war am Freitagabend in der Fernsehtalkshow „3 nach 9“zu Gast und machte deutlich, dass sie von der Entscheidung der Staatsregierung – der sie selbst angehört – nicht besonders viel hält: „Ich fand das jetzt keine besonders kluge Idee.“Es sei schon richtig, dass das Kreuz ein „Symbol unserer Kultur“sei. Aber es gebe natürlich auch Menschen, die sich nicht vorschreiben lassen wollten, „da irgendetwas aufzuhängen“.
Bereits einen Tag, nachdem sich Kiechle von Söders Vorstoß und der Mehrheitsentscheidung ihrer Kabinettskollegen distanziert hatte, ruderte sie allerdings wieder zurück: „Ich stehe klar zum einstimmigen Beschluss des bayerischen Kabinetts, ein Kreuz in den bayerischen Behörden anzubringen, weil das Kreuz für die christliche Tradition Bayerns steht.“
Im Streit um die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden, der seit knapp einer Woche ausgetragen wird, kommt jetzt noch ein weiterer Misston hinzu. Auslöser ist ein Schreiben der Landtagsabgeordneten Barbara Stamm (CSU) auf Briefpapier der Landtagspräsidentin. In diesem geht sie den katholischen Würzburger Hochschulpfarrer we- gen dessen Kritik an der KreuzPflicht hart an und verteidigt die Linie ihrer Partei. Pikant ist auch: Der Brief hat über CSU-Verteiler die Runde gemacht. Oppositionspolitiker werfen der Landtagspräsidentin vor, die Autorität ihres Amtes für die Parteipolitik zu nutzen.
Pfarrer Hose hatte dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) am Dienstag zum Kreuz-Beschluss einen Brief geschickt. Hose hatte geschrieben, in seiner Wahrnehmung und derer vieler anderer Christen werde das Christentum „zunehmend von Ihnen dazu missbraucht, um die Aus- grenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben“. Das Kreuz tauge „nicht als verlängerter Arm einer Politik der Ausgrenzung oder des nationalistischen Egoismus“.
In ihrem Brief kritisiert nun die Landtagspräsidentin den Pfarrer deutlich. Zum einen hielten sie und andere CSU-Politiker die Form eines „offenen Briefes“für fragwürdig. Auch für sein Engagement in der Flüchtlingsarbeit wird der Hochschulpfarrer indirekt kritisiert: „Auch kann das christliche Handeln nicht nur auf die Hilfe für Asylsuchende und Migranten heruntergebrochen werden.“Zum Christentum in gelebter Tradition gehöre auch das Kreuz. „Wir unterstützen den Beschluss des Bayerischen Ministerrates“, schreibt Stamm als Landtagspräsidentin.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Katarina Schulze, zeigte sich irritiert ob des Vorgehens der Landtagspräsidentin: „Frau Stamm ist hier aus meiner Sicht bewusst als Grenzgängerin unterwegs.“Denn im Schreiben betone sie ihr Handeln als CSU-Politikerin, im Briefkopf allerdings prange das Signet der Landtagspräsidentin.
SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher verwahrte sich gegen das Vorgehen Stamms. „Frau Stamm spricht nicht für das Parlament, wenn sie unbescholtene Pfarrer attackiert“, sagte er. Es sei ein Ding der Unmöglichkeit, „dass sie hierfür den Briefkopf des Landtagspräsidiums missbraucht“. Nach der Instrumentalisierung des Kreuzes für parteipolitische Zwecke durch die CSU-Staatsregierung sei dies nun „der Missbrauch des Parlamentarismus für ein aggressives CSUManöver“, sagte der SPD-Fraktionschef: „Das geht gar nicht!“
Landtagspräsidentin Stamm verteidigte ihr Vorgehen. Der Brief an den Würzburger Pfarrer sei niemals zur Veröffentlichung gedacht gewesen. Es müsse ihr als Landtagspräsidentin gestattet sein, „mich zu grundsätzlichen Wertedebatten, wie dies eine ist, zu äußern – und dies tue ich selbstverständlich auch in meinem Amt und dies sehr oft“.
Nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland bewegt die Kreuz-Pflicht die Gemüter. Fast zwei Drittel der Bundesbürger (64 Prozent) lehnen die Idee ab, dafür sind lediglich 29 Prozent, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die Bild am Sonntag ergab. Sieben Prozent waren sich unsicher oder machten keine Angabe. 48 Prozent der befragten Katholiken und 62 Prozent der Protestanten sind gegen Kreuze in staatlichen Behörden. Bei Befragten anderer Konfessionen und Konfessionslosen lehnen 87 Prozent den Beschluss des bayerischen Kabinetts ab.