Und plötzlich Star-Wars-Star
20 Tage bis zum nächsten Milliardenspektakel, im Fokus: Han Solo. In die von Harrison Ford geprägte Rolle tritt Alden Ehrenreich. Wer?
Erinnern Sie sich an Ihre erste Reaktion, als man Sie anrief und Sie die Rolle hatten?
Alden Ehrenreich: Oh ja! Ich rief andauernd: „Heilige Kuh!“. Nur statt „Kuh“etwas anderes. Ich schnitt gerade einen Kurzfilm, als der Anruf kam. Ich war völlig aufgelöst und konnte es gar nicht fassen.
Han Solo zählt zu den größten Filmhelden überhaupt. Wie hat es sich angefühlt, in die Haut einer Legende zu schlüpfen?
Ehrenreich: Wenn man den Zuschlag bekommen hat, verfällt man kurz in Panik. Und dann ist es deine Aufgabe, nicht über all die Erwartungen nachzudenken, die mit dieser beliebten Rolle verbunden sind. Man konzentriert sich auf diese Person als eine Person. Hans größte Qualitäten sind seine Menschlichkeit und seine Fehlbarkeit. Ich durfte ihn nicht in einen goldenen Schrein stellen, um dann zu versuchen, an ihn heranzureichen. Ich musste ihn verstehen, seine inneren Kämpfe und die Ziele, die er verfolgt.
Inwiefern mussten Sie um die Rolle kämpfen?
Ehrenreich: Ich hatte sechs Vorsprechen innerhalb von sechs Monaten. Ich habe zehn oder elf Szenen vorgespielt, die nicht Eingang ins Drehbuch gefunden hatten, sich aber in abgewandelter Form für CastingZwecke eigneten. Niemand hat mir je verraten, warum ausgerechnet ich den Zuschlag erhalten habe. Es wurde einmal gemunkelt, dass es dreitausend Bewerber gab. Andere haben dem widersprochen. Ich weiß es nicht.
War es Ihre Aufgabe, einen völlig neuen Charakter zu schaffen, oder mussten Sie auch Harrison Fords Filmfigur bis zu einem gewissen Grade imitieren? Ehrenreich: Es war eine Kombination. Man trifft Han Solo in einer völlig anderen Periode seines Lebens. Er sollte sich dementsprechend auch anders anfühlen. Eine Filmfigur muss sich lebendig anfühlen und einzigartig sein. Was sie tut, muss real wirken. Trotzdem musste auch eine Kontinuität der Rolle hergestellt werden. Man muss glauben können, dass dieser junge Mann einmal zu jenem Han Solo heranreift, den Harrison Ford verkörpert. Diese Aufgabe ging an Lawrence und Jon Kasdan, die das Drehbuch geschrieben haben. Sie sind völlig in die Welt von „Star Wars“eingetaucht, in die Atmosphäre, die Sprache, den Humor. Ihr Lieblingscha- rakter war immer Han. Sie haben sichergestellt, dass der neue Film mit den anderen harmoniert.
Ging von der Tatsache, nicht viel über Hans Vergangenheit zu wissen, nicht auch ein gewisser Reiz aus? Ehrenreich: Unser Film ist wie die Filmbiografie eines fiktionalen Charakters. Man sieht nicht nur dabei zu, wie Hans Beziehungen ihren Anfang nehmen, mit denen wir alle vertraut sind. Man wird auch Zeuge, wie er sich als Charakter entwickelt. Man lernt ihn zunächst als einen anderen kennen. Erst die Aufgaben, denen er sich im Verlauf der Geschichte stellen muss, formen ihn letztendlich zu dem Han, den wir kennen und lieben.
Haben Sie Harrison Ford persönlich getroffen?
Ehrenreich: Ja. Ich würde Ihnen jetzt gern erzählen, dass wir uns drei Monate lang täglich gesehen haben und er mich trainiert hat. Aber das ist nicht wahr. Ich habe einmal mit ihm zu Mittag gegessen. Das war mir wichtig. Es hätte sich falsch angefühlt, diese Rolle zu übernehmen, ohne einen Kontakt herzustellen. Harrison
Ford hat mir Mut gemacht und stand voll hinter dem Film. Wir haben uns über seine Karriere unterhalten und über den Weg, den er genommen hat. Er ist ein großer, ikonischer Filmstar. Ich wusste es sehr zu schätzen, dass er sich diese Zeit für mich genommen hat.
Was bedeutet Ihnen Star Wars persönlich?
Ehrenreich: Als Kind war ich ein großer Fan, ich hatte alle Actionfiguren. Ich habe mir die Filme angeschaut und sie dann nachgespielt. Deshalb hat es sich wohl umso surrealer angefühlt, als ich zum ersten Mal unter dem echten Millennium Falcon stand. Es kam mir so bekannt vor, weil ich es schon als Kind gespielt hatte. Ich habe nur ein weiteres Mal so getan, als ob. Diese Filme sind wahr gewordene Kinderträume mit Raumschiffen, Aliens und völlig anderen Welten.
Bislang kannte man Sie nur aus Independent-Produktionen. Waren Sie trotzdem immer offen für Blockbuster? Ehrenreich: Ich habe einen Film namens „Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe“gemacht, der durchaus eine größere Studioproduktion war. Ich entscheide mich für einen Film, wenn mich der Regisseur und die Rolle interessieren. Beides kann in den unterschiedlichsten Formen auftreten. Bislang haben mich typischerweise Charaktere stärker angesprochen, wie sie in kleineren Filmen vorkommen. Aber ich habe mich nicht auf das Independent-Kino eingeschworen. Dieser Film hier ist ein echter Lottogewinn. Es ist ein großer Film, aber in seinem Mittelpunkt steht ein starker Charakter. Ich muss nicht die ganze Zeit über mit Cape und Maske herumlaufen. Die Rolle verlangte mir vieles ab und machte großen Spaß.
Welcher ist Ihr Lieblingscharakter aus Star Wars?
Ehrenreich: Yoda! Ich mag seine Weisheit. Er ist ein sehr witziger Charakter, aber die Dinge, die er zu sagen hat, haben Tiefe. Sie verpacken tiefgründige, philosophische Ideen in einfache Worte. Eine solche Figur in einem amerikanischen Mainstreamfilm ist schon etwas sehr Besonderes.
Sind Sie auch ein Rebell oder eher jemand, der sich anpasst?
Ehrenreich: Um ehrlich zu sein, passt mir keiner dieser Schuhe. Ich schubse niemanden einfach so aus meinem Weg. Aber die beruflichen Entscheidungen, die ich treffe oder wie ich mein Leben lebe, handhabe ich so, wie ich es will. Das Leben ist zu kurz.
Man findet Sie nicht auf Instagram und Co.
Ehrenreich: Ich bediene die sozialen Medien nicht. Es hat mich noch niemand darum gebeten, mich dort einzubringen. Ich würde es auch nicht machen. Verstehen Sie mich nicht falsch, diese Dinge sind großartig für Menschen, die so etwas mögen. Zweifellos haben sie unsere Welt verändert. Menschen haben plötzlich eine Stimme, das ist erstaunlich. Ich selbst kann aber keinerlei Interesse dafür aufbringen.
Welche Filme haben auf Sie als Kind einen großen Eindruck hinterlassen? Ehrenreich: Sehr viele. Bei uns gibt es einen Fernsehsender, der nur sehr alte Filme zeigt. Den habe ich als Kind ständig eingeschaltet. Ich hatte auch eine Videokassette von „Butch Cassidy and the Sundance Kid“, die ich mir unendlich oft angeschaut habe. Tatsächlich hat „Solo: A Star Wars Story“mehr Parallelen zu diesem Klassiker als irgendein anderer Film. Ich habe mir diese Streifen angeschaut und nachgemacht, was die Leute auf dem Bildschirm taten.