Das Recht der Patienten
Oft klagen Lobbyisten, Patienten würden heutzutage „mit einem Schnupfen“in die Notaufnahme kommen. Solche Polemik ist genauso unangebracht, wie der pauschale Vorwurf einer wachsenden Versorgungsmentalität.
In der Bundesrepublik hat sich seit Jahrzehnten ein Nebeneinander aus ambulanter und klinischer Facharztversorgung etabliert, das manche Kritiker als teures Parallelsystem bezeichnen. Doch es ist nicht nur den Ärzten, sondern auch den Patienten lieb und teuer: Sie bezahlen das Ganze am Ende als Beitragszahler. Deshalb sollten sich Ärztevertreter davor hüten, Patienten die Schuld an Problemen zuzuschieben, die dadurch entstehen, dass in der Notfallversorgung das Nebeneinander beider System in der Realität aufeinanderprallt.
Die meisten Patienten kommen wegen Schmerzsymptomen in Notaufnahmen und erhalten dort – trotz oft langen Wartens – erstklassige Hilfe. Und es sollte Ärzteschaft und Politik zu denken geben, wenn immer mehr Patienten eine Notaufnahme einer Facharztpraxis wegen überlanger Wartezeiten vorziehen. Portalpraxen können als Filter ein guter Kompromiss sein – wenn alle Seiten mitziehen. steht das Gesundheitswesen vor einer großen Veränderung. Geht es nach dem Willen der Bundesärztekammer, dann soll der Ärztetag diese Woche in Erfurt den Weg für reine Online-Behandlungen frei machen. Kranke sollen dann auch ausschließlich über elektronische Kommunikationsmedien wie Telefon, Internet und Skype behandelt werden dürfen, ohne dass sich Arzt und Patient vorher persönlich begegnet sind. Andere Länder machen das längst vor: In der Schweiz gibt es seit dem Jahr 2000 telemedizinische Servicecenter, an die sich Patienten rund um die Uhr mit kleineren medizinischen Problemen wenden können. Rezepte gehen in die vom Patienten gewünschte Apotheke. Die Versicherung bezahlt.
Auch in Schweden haben sich Dienstleister etabliert, die telemedizinische Konsultationen anbieten. Hunderttausende derartige Kontakte gibt es dort mittlerweile pro Jahr, berichtete kürzlich die Ärzte Zeitung. Bei vielen erübrige sich der Arztbesuch.
Deutschland tut sich schwer damit. Nach einer im März veröffentlichten Umfrage unter 3857 Ärzten sprachen sich 62 Prozent gegen eine Lockerung des sogenannten Fernbehandlungsverbotes aus. Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: Einerseits lassen sich dadurch lange Wartezimmerzeiten vermeiden. Gerade die medizinische Versorgung in dünn besiedelten Gebieten könnte profitieren. Andererseits könnte sich das Arzt-Patienten-Verhältnis durch diese distanzierte Behandlungsform stark verändern, warnen Skeptiker.