Bayerns Wirtschaft entsetzt über Trumps Strafzölle
Handelskrieg Bei Unternehmen wächst die Angst vor einer unkontrollierten Eskalation mit den USA. Europa kündigt Gegenschlag an
Washington/Augsburg US-Präsident Donald Trump befand sich gerade auf dem Flug nach Houston, als sein Wirtschaftsminister Wilbur Ross die Bombe platzen ließ. „Die Gespräche dauern länger, als wir gehofft hatten“, berichtete er über seine Verhandlungen mit der Europäischen Union sowie Kanada und Mexiko über eine Begrenzung von deren Stahl- und Aluminiumexporten. Deshalb werde man die bisherige Ausnahmeregelung von den Strafzöllen auslaufen lassen. Kurz darauf schickte das Weiße Haus zwei umfangreiche Dekrete hinterher. Sie legen fest, dass ab diesem Freitag um 0.01 Uhr amerikanischer Zeit Stahleinfuhren aus diesen Ländern mit 25 Prozent und Aluminiumimporte mit zehn Prozent besteuert werden. Es ist der Beginn eines Handelskriegs mit Europa.
Die USA begründen ihre Sanktionen mit angeblichen Gefahren für die nationale Sicherheit. Die EU wird darauf mit Vergeltungszöllen reagieren. Wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker umgehend angekündigte, wird zudem Klage bei der Welthandelsorganisation WTO eingereicht. „Die USA lassen uns keine andere Wahl“, sagte er. „Das ist ein schlechter Tag für den Welthandel.“Die Bundesregierung nannte die Entscheidung der USA rechtswidrig.
Die exportstarke bayerische Wirtschaft betrachtet die Krise mit großer Sorge. Stahl und Aluminium machten zwar nur einen kleinen Teil der bayerischen Ausfuhren in die USA aus, doch die Zölle hätten erhebliche Signalwirkung, warnt Verbands-Geschäftsführer Bertram Brossardt. „Es steht zu befürchten, dass sie den Anfang bilden für weitreichende, größere Handelshemmnisse durch die USA, die dann den weltweiten freien Handel aus den Fugen bringen könnten.“Auch in Schwaben sind Betriebe aus dem metallverarbeitenden Gewerbe in ihrem USA-Geschäft von den Strafzöllen betroffen, sagt IHK-Expertin Jana Lovell. „Es ist hochgradig alarmierend, dass die USA Strafzölle gegen enge Handels- und Bündnispartner einsetzen“, warnt sie.
Der FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Theurer sprach von einer „Ohrfeige“für die Bundesregierung. CDU-Kanzlerin Angela Merkel habe es sträflich versäumt, der Handelspolitik die nötige Priorität einzuräumen. Ein Handelskrieg kenne nur Verlierer, eine Eskalationsspirale müsse unbedingt verhindert werden. Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber sieht die Schuld eindeutig auf amerikanischer
Hätte Merkel das Thema zur Chefsache machen müssen?
Seite: „Für die USA gab es keinen Anlass, gegen die EU Strafzölle zu verhängen, und deswegen verstößt ihr Verhalten eindeutig gegen die Spielregeln der Welthandelsorganisation“, sagte er unserer Zeitung.
Die Gespräche zwischen US-Vertretern und der EU seien sehr intensiv gewesen. „Aber die US-Vertreter haben keine sehr ausgeprägte Bereitschaft zu richtigen Verhandlungen gezeigt“, sagt Ferber. Die EU wäre zwar bereit gewesen, den USA entgegenzukommen, aber nicht unter den jetzigen Voraussetzungen. „Wir wollten nicht unter Erpressungsbedingungen verhandeln“, betont der Vizechef des Wirtschaftsausschusses im EU-Parlament. Ferber hofft, dass Trump beim WTO-Verfahren doch noch einlenkt. „Das Problem ist, dass die USA, die ja eine Art Weltpolizei sind, sich selbst an keine Regeln halten. Mit diesem Verhalten destabilisiert Trump mehr als nur die weltweiten Handelsbeziehungen.“
Wie Europa im Handelskrieg antwortet, lesen Sie auf
Brüssel Es soll „eine starke Antwort“geben. Dieses Wort machte am Donnerstag schon in Brüssel die Runde, bevor die Zoll-Entscheidung des amerikanischen Präsidenten bekanntgegeben worden war. Als dann feststand, dass alle Verhandlungen mit den Unterhändlern der Vereinigten Staaten nichts gebracht hatten, nahm Kommissionschef Jean-Claude Juncker kein Blatt mehr vor den Mund. Er sehe diesen Schritt von Präsident Donald Trump „mit großer Sorge“. Die Vereinigten Staaten ließen der Union „keine Wahl“. Brüssel werde „in Übereinstimmung mit den Regeln der Welthandelsorganisation“reagieren. Wörtlich erklärte er: „Wir werden die Interessen der Union verteidigen.“
Handelskommissarin Cecilia Malmström, die die Verhandlungen mit dem amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross geführt hatte, legt noch nach: „Das ist nicht die Art und Weise, wie man Geschäfte macht – vor allem nicht mit langjährigen Partnern, Freunden und Alli- ierten.“Und weiter: „Wir werden die notwendigen Schritte unternehmen und den europäischen Markt vor den Auswirkungen der US-Restriktionen schützen.“
Tatsächlich trifft die Anhebung der Zölle auf Stahl und Aluminium die Europäer nicht unvorbereitet. Schon vor Wochen hatten die Mitgliedstaaten eine Liste mit über 300 Punkten abgesegnet – eine Aufstellung der Produkte, die Europa nun mit höheren Importabgaben belegen will. Es geht um Motorräder, Jeans, Erdnussbutter, Kosmetika, Schiffe sowie US-Stahl – also vor allem um solche Artikel, die in jenen Bundesstaaten hergestellt werden, in denen Senatoren aus dem direkten Umfeld des Präsidenten residieren. Das Brüsseler Kalkül: Trump soll Druck aus den eigenen Reihen bekommen.
Dabei sind die Gespräche auch nach dem Erlass aus dem Weißen Haus noch nicht beendet. Ross, der die Entscheidung des Präsidenten am Donnerstag bekannt gab, zeigte sich jedenfalls offen für weitere Beratungen: „Wir freuen uns darauf, die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada einerseits und mit der Europäischen Kommission auf der anderen Seite fortzuführen.“Die waren am Schluss nämlich tatsächlich festgefahren, weil die Mitgliedstaaten es ablehnten, „mit der Pistole auf der Brust“zu einem Kompromiss auf die US-Bedingungen einzugehen. Dabei hatte sich die EU sehr wohl beweglich gezeigt.
So schlug die Kommission vor, die Importabgaben für amerikanische Autos zu senken. Minister Ross winkte ab. Weitere Zugeständnisse scheiterten wohl auch an Dissonanzen im europäischen Lager. Während Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron stets für eine harte Antwort der Gemeinschaft eintrat, bremste Bundeskanzlerin Angela Merkel allzu heftige Reaktionen aus. Bei den jüngsten Gesprächen zwischen den beiden Wirtschaftsministern aus Paris und Berlin, Bruno Le Maire und Peter Altmaier (CDU), sei es in dieser Woche sogar zwischendurch „laut geworden“, berichteten Beobachter.
Ob die EU es tatsächlich schafft, nun einig zu reagieren, muss sich zeigen. Bereits am Donnerstag setzte die Kommission in Brüssel alle notwendigen Verfahren in Gang, um die Liste der Gegenmaßnahmen in Kraft setzen zu können. Das sei „nur eine Frage von wenigen Tagen“, sagte ein mit Handelsfragen vertrautes Mitglied des Europäischen Parlaments unserer Zeitung. Im Gespräch ist derzeit der 20. Juni als Stichtag für die starke Antwort Europas. Der Grund: Die EU hatte ihre Gegenmaßnahmen am 18. Mai bei der Welthandelsorganisation angemeldet. Danach muss eine 30-tägige Wartezeit eingehalten werden. Allerdings gäbe es noch einen günstigen Termin für ein Einlenken in letzter Minute: Alle Beteiligten treffen in der kommenden Woche in Kanada zum G7-Gipfel zusammen. Dort steht das Thema Freihandel auf der Tagesordnung.
In der EU traf die Entscheidung Washingtons auf ein verheerendes Echo. „Die Stahlindustrie in Deutschland verurteilt diesen Schritt“, sagte Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Den Vorwurf der USA, die europäischen Stahlimporte bedrohten die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten, nannte er grotesk. Und auch der europäische Dachverband der Stahlunternehmen (Eurofer) warf Trump „blanken Protektionismus“vor.
Malmström verspricht, Markt zu schützen
Beim G7 Gipfel geht es auch um Freihandel