Über die Islamisierung Frankreichs: Edgar Selge und Michel Houellebecqs umstrittener Roman
● „Unterwerfung“läuft am Mittwoch,
6. Juni, um 20.15 Uhr im Ersten.
Der Film basiert auf Karin Beiers Thea terinszenierung von Michel Houelle becqs gleichnamigem und umstrittenen Roman am Deutschen Schauspiel haus Hamburg, der im Januar 2015 er schienen ist. Der französische Schrift steller beschreibt in „Unterwerfung“, wie im Jahr 2022 ein muslimischer Politiker Frankreichs Staatspräsident wird, das Patriarchat, die Scharia, die Polygamie einführt und der von Edgar
fiktionale Element eine ganz große Rolle, wie wohl übrigens auch in seinem Leben. Und dann provoziert er einfach gerne – ohne Schere im Kopf – und macht aus sich selbst dadurch eine höchst angreifbare Figur.
Wie sehen Sie die von ihm entworfene Figur des muslimischen Präsidenten? Selge: Bei der Figur von Mohamed Ben Abbes, der in „Unterwerfung“zum Präsidenten von Frankreich ge- Selge gespielte Literaturwissen schaftler François seine Anstellung an der Universität Sorbonne verliert. Und dann das Angebot erhält: Er könne seine Lehrtätigkeit wiederaufneh men, wenn er zum Islam konvertiere . . . In seiner TV Adaption der Hamburger Inszenierung erweitert und intensi viert Titus Selge, Neffe des Schauspie lers, noch den Erfahrungsraum. Ver körpert Edgar Selge in seinem fast drei stündigen Monolog als François auf der Bühne noch vier weitere Figuren,
wählt wird, geht es um einen sehr gebildeten und gemäßigten Moslem. Einmal an der Macht, vermischt Abbes natürlich die patriarchalen Formen des Islam mit den Bedürfnissen der bürgerlichen konservativen Bewegung in Frankreich. Das hat einen satirischen Charakter.
Im Diskurs über den Film läuft dieser muslimische Präsident übrigens mal unter dem demokratieverträglichen kann er mit ihnen in gefilmten Sze nen lebendig agieren und sich als priva te Schauspieler Figur einbringen.
● Edgar Selge wurde 1948 in Brilon im Sauerland als Sohn eines Gefäng nisdirektors geboren und wuchs in ei nem protestantischen Elternhaus auf. Nach einem Philosophie und Klavier studium gelang ihm der Sprung an die Otto Falckenberg Schule in Mün chen, die deutsche Theater Talent schmiede schlechthin. Sein erstes Enga gement führte ihn 1975 ans Berliner
Vorzeichen des „Gemäßigten“und mal unter dem Label „islamistisch“. Selge: Es besteht natürlich die große Gefahr, dass Moslems immer wieder mit Islamisten gleichgesetzt werden. Das wäre aber so, als würden wir Christen, Katholiken immer mit evangelikalen Sekten gleichsetzen! Da braucht es Differenzierung.
Intellektuelle Männer der Sorbonne arrangieren sich schnell mit den neuen Schillertheater, anschließend arbeitete er fast 20 Jahre lang an den Münch ner Kammerspielen. Mit einer Rolle in Helmut Dietls „Rossini“nahm 1997 Selges Karriere als TV und Filmdarstel ler Fahrt auf. Als einarmiger Kom missar Jürgen Tauber im „Polizeiruf 110“wurde er eines der bekanntes ten TV Gesichter der Republik. Edgar Selge ist mit der Schauspielerin Fran ziska Walser, der ältesten Tochter des Schriftstellers Martin Walser, verhei ratet. Sie haben zwei Kinder. (dpa, AZ)
Regeln des Islam. Sie dürfen ja auch weiter Alkohol trinken. Und verschleierte Studentinnen und mehrere Ehefrauen sind bald die Norm. Ist das realistische Satire?
Selge: Houellebecq hinterfragt provozierend die Haltung bürgerlicher Leser und Journalisten, die sich ja sehr liberal vorkommen. Im Zentrum der Theateraufführung steht aber ein Kreuz, das sich bewegt, und eben nicht Stern und Halbmond.