Unser wunderbarer Waschsalon
Porträt Wie zwei Schwestern aus Prittriching die Waschsalon-Kultur in New York revolutionieren und was sie aus Deutschland vermissen
New York Wer es hier schafft, der schafft es überall. Sang einst Frank Sinatra. Innerhalb der fünf New Yorker Bezirke gilt Brooklyn und besonders dessen Stadtteil Williamsburg als der coolste. Dort gibt es eine vibrierende Kunst- und Kulturszene, dort befindet sich die Keimzelle des weltweiten „Hipstertums“. Wenn nun ein neues Ladenkonzept in der Modezeitschrift Vogue und im Wall Street Journal als „Brooklyns Coolest New Hangout“bezeichnet wird, dann will das schon was heißen. Zwei Schwestern aus Prittriching sind gerade dabei, die Laundromat-Szene, also das Waschsalongeschäft, aufzumischen.
Dazu muss man, gerade als Deutscher, folgende New Yorker Ausgangssituation verstehen: Dort wohnen viele Menschen auf engstem Raum. Alte Backstein- und Sandsteinhäuser aus dem 19. Jahrhundert bieten keinerlei sanitäre Infrastruktur für Waschmaschinen oder Trockner. Der New Yorker geht also waschen oder lässt waschen. Und erstaunlicherweise sind alle Waschsalons schlecht, sagt Corinna Williams, die ältere der beiden Schwestern, die Ende letzten Jahres das „Celsious“, einen hellen, freundlichen Waschsalon mit Café und allerlei witzigen Aktionen aufgemacht haben. Die Salons seien in der Regel eng, dreckig, mit veralteten Maschinen, schlecht beleuchtet, einfach ungemütlich. Wäsche waschen, das gehört zum unangenehmen Teil des Lebens in New York. Dazu wird man kaum einen New Yorker in weißem T-Shirt sehen, Weiß geht nämlich gar nicht, weil das nach spätestens drei Wäschen fleckig oder grau geworden sei. So ist es auch Corinna Williams ergangen, als sie 2013 dorthin zog.
Vier Jahre später hat sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Theresa den Alltag vieler Williamsburger „komplett verändert“, so die Rückmeldung vieler Kunden. Denn jetzt geht man gerne waschen, weil man dabei auf der Café-Empore ihres Salons einen glutenfreien Mandelzitronenkuchen mit edlem Matcha Latte, organischem Kombucha oder in Brooklyn geröstetem Barista-Kaffee bekommt, weil man sich mit Freunden dort verabreden kann, weil mal wieder ein Konzert stattfindet oder weil es eine TinderSockenparty gibt. Und nebenbei geht man noch mit ökologisch gewaschener und vor allem weißer Wäsche nach Hause. So einfach, so genial und doch immer noch so selten.
Corinna und Theresa Williams, 33 und 30 Jahre alt, geboren in Würzburg, wohnten seit ihrem sechsten beziehungsweise dritten Lebensjahr in Prittriching. Die Großeltern hatten dort einen Bauernhof mit Wirtschaft, die Tante hat schon früh auf Ökolandwirtschaft umgestellt. Beide erinnern sich noch gut an die frühmorgendlichen Zeiten, als sie täglich mit dem Schulbus über Scheuring, Weil und all die Dörfer bis nach Landsberg ins Gymnasium fuhren. „Wir sind Biokinder der ersten Stunde“, erzählen die beiden im Skype-Interview. Was in Deutschland mittlerweile Mainstream ist, nämlich regionale BioLebensmittel zu kaufen, wird in den USA gerade erst zum Trend. Nachhaltigkeit und Bio sind zwar auch Thema, sagt Theresa, aber man müsse schon danach suchen.
Corinna hat Internationale Beziehungen in Heidelberg und Paris studiert und als Mode-Redakteurin in München und New York gearbeitet, Theresa ist Produktdesignerin und hat lange in London gelebt und als Brillendesignerin gearbeitet. „Mein Ziel war es immer, mit 30 mein eigener Chef zu sein.“Und so hat sich
Der New Yorker geht oder lässt waschen
Der Weg dorthin war nicht einfach
im Laufe ihrer New Yorker Jahre langsam die Idee zu einem „etwas anderen“Waschsalon entwickelt, nachhaltig, ökologisch, effizient einerseits sowie sozialer Treffpunkt, Kulturbühne und Café andererseits.
Der Weg dorthin war nicht einfach. Manchmal, so erzählen sie, sehnen sie sich nach der Ordnung und dem geregelten Leben, das sie aus Deutschland kennen. „Hier ist viel mehr Wildwest-Spirit“, alles sei chaotischer, oft auch willkürlicher, „jeder kämpft sich hier alleine durch.“So mussten die Schwestern viel mehr selbst in die Hand nehmen als ursprünglich geplant. Wände rausreißen, Leitungen verlegen, malern, einrichten. Gott sei Dank sind seit vergangenem Jahr auch Mutter Franziska Williams (Englischlehrerin aus Prittriching) und Vater Larry Williams (ein pensionierter US-Militärangehöriger) vor Ort und helfen tatkräftig mit.
Sechs Angestellte haben sie mittlerweile, und Pläne zu expandieren gibt es auch: Einen „Celsious“in jedem New Yorker Stadtteil, das wär’s. Das Leben in New York ist spannend und vielversprechend, so scheint es, auch wenn beide gelegentlich ein gutes deutsches Vollkornbrot vermissen, gerne auch mit Leberwurst bestrichen.