Der Komponist und der Dichter
Auftakt Am 8. Juli, dem 123. Geburtstag von Carl Orff, spielt auch Bertolt Brecht eine Rolle. Einen Monat später startet die Wiederaufnahme des früheren Orff-Festivals mit Konzerten, Lesungen, Vorträgen und einem Workshop
Dießen Carl Orff und Bertolt Brecht, zwei große Namen der Geschichte, bestimmen gemeinsam den Auftakt zum Carl Orff Fest Andechs & Ammersee. „Carl Orff & Bertolt Brecht, oder Alles hat seine Zeit“lautet demnach auch der Titel des Festes, das am Sonntag, 8. Juli, am Ziegelstadel 1, rund um das dort aufgestellte Weltenrad der Glücksgöttin Fortuna gefeiert werden wird.
Carl Orff und Bert Brecht, geht das überhaupt zusammen? Fakt ist, beide lebten in der Mitte des 20. Jahrhunderts, beide haben ihre Wurzeln in Bayern. Brecht ist in Augsburg geboren, Orff in München. Nun liegen beide Städte so nah beieinander, dass eine Begegnung der beiden möglich war und in den 1920er-Jahren tatsächlich stattgefunden hat. Und zwar unter anderem in den Kammerspielen, erklärt die Generalsekretärin der CarlOrff-Stiftung, Judith Janowski. Später, in den 1950er-Jahren, hatten sie, beide auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, offenbar noch ein Treffen vereinbart – wegen des frühen Todes Bert Brechts am 14. August 1956 sei es dazu jedoch nicht mehr gekommen.
Nun also soll es am 8. Juli in Dießen am Ziegelstadel, Orffs Wohnhaus, gleichermaßen um den Dichter wie den Komponisten gehen. So wird dort auf einer großen Bühne ein Konzert für Chor, Klavier, Schlagzeug und Sprecher geboten. Der Chor, das wird das Mendelssohn Vocalensemble (Bayerische Musikakademie Marktoberdorf) unter der Leitung von Karl Zepnik sein, das „O Fortuna“oder „Odi et amo“aus Catulli Carmina zu Gehör bringt.
Japanische Trommeln, das sind Carl Amadeus Hiller, Takuya Taniguchi und Thomas Sporrer, bestreiten das Intrada, der Schauspieler Stefan Hunstein (bekannt aus Tatort, Polizeiruf 110, Münchener Kammerspiele) den Epilog für Sprecher und Schlagzeug nach Bert Brecht. Moderiert wird das Programm von Elgin Heuerding (BRKlassik). Im Zentrum des Auftaktfestes, das eigentlich zwei Tage vor dem Geburtstag Carl Orffs (10. Juli) stattfindet, stehen aber die beiden Orff-Schüler Wilfried Hiller und Wilhelm Killmayer mit ihren Werken „Die Himmelsscheibe von Nebra“und „Canzon S’al dolce loco“.
Ganz bewusst spannen die beiden Programmmacher Florian ZwipfZaharia und Wilfried Hiller bereits an diesem Tag den Bogen über die Welt, in der Carl Orff gelebt hat. Gleichzeitig, und das stelle durchaus keinen Widerspruch dar, will man mit dem Veranstaltungskonzept „raus aus der reinen Orff’schen Welt“, so wie er andernorts normalerweise gesehen und gespielt wird. Denn der Komponist erlebte Zeiten, in denen musikalisch einerseits nach wie vor die Klassiker dominierten, nahm allerdings mit großem Interesse auch am Siegeszug des Jazz und der Geburt des Rock ’n’ Roll teil. Florian Zwipf-Zaharia: „Orff hat immer nach vorne gedacht und war ein sehr offener Mensch.“So habe er stets viel Kontakt zu anderen Künstlern gehabt, habe deren Konzerte besucht, und so war wohl auch die Beziehung zu Bert Brecht entstanden.
Diesen Gedanken wollten Hiller und Zwipf-Zaharia aufnehmen und als roten Faden auch vom 8. bis zum 12. August, der Haupt-Festivalzeit, durchziehen. „Wer dumm ist, soll draußen bleiben“lautet zum Beispiel
„Der Florian Stadl wird beben.“
die provokante Aufforderung am 11. August, wenn der musikalische Kosmos Carl Orffs untersucht wird. Auf die Pirsch begeben sich dabei die Münchner Symphoniker zusammen mit der Hiphop-Band Einshoch6. Zwipf-Zaharia: „Der Florian-Stadl wird beben.“Das Orchester ist ja bekannt für außergewöhnliche Konzerte wie zum Beispiel beim Carneval der Tiere mit dem Comedian Bully Herbig als Sprecher.
Spezielle Künstler, auch das ist ein roter Faden, der sich durch das Orff-Fest zieht. So wird etwa Hansjörg Albrecht, Dirigent und Konzertorganist, Orff und die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach gegenüberstellen (8. August, Klosterkirche St. Ottilien). Albrecht ist aber auch künstlerischer Leiter des Münchener Bach-Chores und des Bach-Orchesters, die am letzten Tag (12. August) im FlorianStadl des Klosters Andechs mit vielen Solisten und Schauspielern wie etwa Harald Helfrich (Chiemgauer Volkstheater) oder Peter Weiß (BR) das Oster-Oratorium (Bach) und das Osterspiel von Orff präsentieren. Überzeugen von einer Teilnahme musste Zwipf-Zaharia die Künstler nicht lange: „Für sie alle hat Orff einen hohen Stellenwert.“