Jugendstil bei der alten Dame
Bundesliga Serie Immer weniger wollen sich die Spiele der Berliner Hertha ansehen. Um das zu ändern, setzt der Klub auf den Nachwuchs – auf dem Feld wie auf den Zuschauerrängen
Berlin Ein offizielles Ziel für die bevorstehende Saison haben sie sich bei Hertha BSC noch nicht gesetzt. Vielleicht liegt das daran, dass es bei den Berlinern zurzeit um mehr geht, als den mittelmäßigen zehnten Tabellenplatz der vergangenen Spielzeit zu verbessern. Die Verantwortlichen um Manager Michael Preetz müssen sich vor allem etwas gegen die sinkenden Zuschauerzahlen einfallen lassen.
Warum wollen immer weniger Menschen Hertha sehen?
730075 Besucher erlebten die 17 Heimspiele der „alten Dame“Hertha in der vergangenen Spielzeit. In der Saison zuvor waren es 805530 Zuschauer (Quelle: Kicker). Kein anderer Bundesliga-Verein hatte zuletzt einen solchen Rückgang zu verkraften. Und jeder andere Bundesliga-Verein schaffte es 2017/18 im Gegensatz zu Hertha wenigstens einmal, „ausverkauft“zu melden. Mögliche Ursachen: der geringe Komfort im weitläufigen, fast 75 000 Zuschauer fassenden Olympiastadion, der bei Preetz und Co. schon vor Jahren den Wunsch nach einer neuen, kleineren Spielstätte auslöste. Ebenso der von Trainer Pal Dardai praktizierte Sicherheitsfußball und die Entfremdung von Teilen der Anhänger vom Verein. E-SportsAktivitäten und digitale Imagekampagnen stoßen bei vielen Ultras auf wenig Gegenliebe. Hertha hat reagiert, indem Kinder unter 14 Jahren nun freien Eintritt ins Olympiastadion erhalten – eine in der Bundesliga bisher einmalige Neuerung. Man darf gespannt sein, wie viele Besucher zum Liga-Auftakt gegen Nürnberg kommen werden.
Ist Pal Dardai der richtige Trainer?
Als er im Februar 2015 den Trainerposten übernahm, wurde Dardai, mit 286 Bundesligapartien Rekordspieler des Klubs, mit offenen Armen empfangen. Doch mittlerweile fragt sich mancher Beobachter, ob der Ungar, dessen Mannschaft wenig spielerischen Glanz verbreitet, das Team weiterentwickeln kann. Andererseits steht Dardai für eine bemerkenswerte Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs und Lizenzmannschaft. Musterbeispiel ist Arne Maier (19), inzwischen Stammkraft bei den Profis. Mit den Eigengewächsen verbindet sich bei Hertha die Hoffnung auf Erfolg – und damit auf mehr Zuschauer.
Wer wird der nächste Senkrechtstarter sein?
Die Stürmer Maximilian Pronichev, Dennis Jastrzembski und Muham- med Kiprit sowie Torwart Dennis Smarsch aus dem eigenen Nachwuchs haben jetzt Profiverträge erhalten. Pronichev wurde direkt nach Aue ausgeliehen. Kurzfristig ruhen die Hoffnungen auf Valentino Lazaro. Der 22-jährige Flügelflitzer avancierte zur Entdeckung der abgelaufenen Rückrunde.
Wer kann den verletzten Torjäger Davie Selke ersetzen?
Selke wird den Saisonstart verletzungsbedingt verpassen. Die einzige Spitze in dem von Dardai bevorzug- ten 4:2:3:1-System könnten der zuletzt auf der Bank sitzende Vedad Ibisevic oder Neuzugang Pascal Köpke einnehmen.
Bleibt Nationalspieler Marvin Plattenhardt?
Bei der WM kam der Linksverteidiger beim 0:1 gegen Mexiko zum Einsatz. Plattenhardt spielte unauffällig, weckte aber dennoch Begehrlichkeiten. Angeblich soll Hertha bereit sein, den Spieler, dessen Vertrag noch bis 2023 läuft, für mindestens 25 Millionen Euro ziehen zu lassen. Als Nachfolger steht Maximilian Mittelstädt, 21, bereit. Auch er ist ein Eigengewächs.
Herthas Kader ist ein Versprechen für die Zukunft, vor allem Arne Maier sticht aus dem Feld der vielen Talente heraus. Weil sich starke Auftritte aber weiterhin mit schwachen Darbietungen abwechseln, reicht es nur zu einem biederen Mittelmaßplatz.
Pascal Köpke (Erzgebirge Aue/2 Millionen Euro), Lukas Klünter (1. FC Köln/2 Mio.), Javairo Dilrosun (Manchester City/ablösefrei).
Mitchell Weiser (Bayer Leverku sen/12 Mio.), Genki Haraguchi (Hannover 96/4,5 Mio.), Julian Schieber (FC Augs burg/ablösefrei), Leon Brüggemeier (SC Paderborn/ablösefrei), Nils Körber (VfL Os nabrück/ausgeliehen).