Landsberger Tagblatt

Wo alte Zeitungen gebügelt werden

Historisch­es Archiv Bei Siegfried Taatz in Kaufering werden Menschen fündig, die zu besonderen Anlässen ein ungewöhnli­ches Geschenk suchen. Aber auch für Film und Fernsehen sind die alten Original-Zeitungen von Bedeutung

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM

Kaufering Genau gezählt hat sie niemand, die vermutlich rund fünf Millionen Zeitungen, die im historisch­en Zeitungsar­chiv von Siegfried Taatz in Kaufering lagern. Aber durchblätt­ert und auf Mängel geprüft wurde im Laufe der Jahre jedes einzelne Exemplar und daran hat sich bis heute nichts geändert. Schließlic­h wünschen sich die Kunden als Geschenk zum runden Geburtstag, zum Hochzeitst­ag oder zu einem anderen Jubeltag eine Original-Ausgabe ihrer Wunschzeit­ung in einwandfre­iem Zustand.

Ungelesen freilich sind nicht alle Zeitungen, die in zwei großen Lagern in Kaufering und im Außenlager in Kaltenberg aufbewahrt werden. „Manche Ausgaben haben wir auf Dachböden gefunden oder bei Haushaltsa­uflösungen gerettet“, sagt Michael Taatz, Vater des heutigen Inhabers. Er war es auch, der 1985 in Kaltenberg aus seiner Sammelleid­enschaft eine Geschäftsi­dee machte und den Verkauf von Einzelexem­plaren der Zeit, der Welt, der Bravo, der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung, der Bildzeitun­g oder der Allgemeine­n Zeitung aus Augsburg und vielen anderen vorantrieb.

Kunden aus dem deutschspr­achigen Raum fragen in der Hauswiesen­straße 22 in Kaufering an, ob es diese oder jene Ausgabe einer bestimmten Zeitung eines ganz bestimmten Datums noch gibt. Derzeit sind Ausgaben aus dem Jahr 1968 der Renner. Vor 50 Jahren Geborene feiern in diesem Jahr einen besonderen Geburtstag.

An die Anfänge daheim in Kaltenberg, wo sich im Übrigen noch heute eine Ausgabe der in Leipzig erschienen­en Neuen Zeitung von Gelehrten Sachen von 1722 im Privatbesi­tz der Familie befindet, erinnert sich der Sohn noch genau. „Ich habe mich damals gewundert, warum unser Wohnzimmer aus- und viele Regale eingeräumt wurden.“In den Regalen stapelten sich mehr und mehr Zeitungen aus den unterschie­dlichsten Regionen Deutsch- Erstausgab­en wie die der Financial Times vom 9. Januar 1888 oder des Spiegels vom 4. Januar 1947 gehören dazu.

platzte das Zuhause in Kaltenberg aus allen Nähten und ein Umzug nach Kaufering stand bevor. Als auch in der Kolpingstr­alands. ße die Räumlichke­iten zu eng wurden, hieß es nach drei Jahren wieder, alles einzupacke­n und in den großzügige­n Räumen an der HausIrgend­wann wiesenstra­ße wieder auszupacke­n. „Wir können nicht überall hinziehen. Wir brauchen eine entspreche­nde Bodenstati­k und auch unsere Regale müssen viel aushalten“, erläutert der Geschäftsf­ührer. Zwei Monate habe der letzte Umzug gedauert und „schweißtre­ibend und ganz schön anstrengen­d war es.“

Zum Kundenkrei­s, der über den Zeitungsar­chiv-Webshop seine Wunschzeit­ung bestellen kann, gehören Menschen, die zu Geburtstag­en ein besonderes Geschenk kredenzen möchten. Aber auch Promis, wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder, der sich zu seinem 50. Geburtstag eine Bild-Zeitung gewählt hat.

Oder Leute aus Film und Fernsehen. Günter Jauch zum Beispiel. Für einen Beitrag in seiner Sendung „Stern-TV“, in dem über den Absturz des Germanwing­s-Fluges 9525 in den französisc­hen Alpen berichtet wurde, suchte der Moderator eine Spiegel-Ausgabe, die Anfang der 1970er-Jahre ein ähnliches Thema

Die älteste Zeitung stammt aus dem Jahr 1722

Auch Günter Jauch wurde im Zeitungsar­chiv fündig

behandelt hatte. Auch damals sei darüber diskutiert worden, ob Cockpit-Türen von innen verriegelt werden dürfen, wenn einer der Piloten den Raum verlassen hat. Zur Erinnerung: Dem Abschlussb­ericht der Kommission zur Flugunfall­untersuchu­ng zufolge hatte der Co-Pilot des Germanwing­s-Fluges die Maschine bewusst und geplant zum Absturz gebracht, nachdem er allein im Cockpit war.

Auch in Spielfilme­n wie „Die Manns“oder „Heidi“waren in den Filmszenen schon Zeitungen zu sehen, die aus dem historisch­en Zeitungsar­chiv der Familie Taatz stammen. Noch immer sind Vater und Sohn Taatz auf der Suche nach alten Original-Zeitungen, die sie nicht selten in Stadtarchi­ven oder bei Haushaltsa­uflösungen finden. Der Bestand an Zeitungen, Zeitschrif­ten oder Magazinen, die in 50 Jahren wieder an Geburtstag­skinder verschenkt werden können, verringert sich nicht, nur die „alten Exemplare“sterben aus, so, wie es auch den lebenden Zeitzeugen von damals ergangen ist.

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Fotos: Julian Leitenstor­fer Aus rund fünf Millionen Original Zeitungen sucht Siegfried Taatz (oben) genau die eine heraus, die ein Kunde zu einem besonde ren Anlass verschenke­n möchte. Frisch gebügelt verlässt das Unikat die Hauswiesen­straße in Kaufering, wo er zusammen mit sei nen Eltern Michael und Edeltraut (im Bild unten rechts) die Zeitdokume­nte sammelt.
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