Wird Idlib zur Hölle?
Hintergrund Die Offensive der Assad-Truppen gegen die Rebellenhochburg steht offenbar kurz bevor. Ankara fürchtet einen Ansturm von Flüchtlingen. Der ganzen Region droht ein Chaos
Istanbul Die Warnungen sind ungewöhnlich scharf. Mitglieder des UN-Sicherheitsrats fürchten angesichts eines offensichtlich bevorstehenden Angriffs syrischer Regierungstruppen auf die letzte Rebellenhochburg Idlib „katastrophale Konsequenzen“. „Die Leben von 2,2 Millionen Menschen stehen auf dem Spiel“, sagte die französische UN-Botschafterin. Die UN warnen vor bis zu 800 000 Flüchtlingen.
Gleichzeitig baut die Türkei ihre Position im Norden Syriens gegen die von den USA unterstützten Kurden aus. Vor internationalen Gesprächen über die Zukunft Syriens kommende Woche könnte der Einfluss Russlands auf die Türkei weiter wachsen. In Idlib werden zehntausende Rebellenkämpfer vermutet, von denen viele in den vergangenen Monaten aus anderen Teilen Syriens in die nordwestliche Provinz geflohen waren.
In Gesprächen mit Russland, der Schutzmacht der syrischen Regierung, will die Türkei erreichen, dass die Offensive abgeblasen oder zumindest abgeschwächt wird. Russland verlangt hingegen, dass die Türkei ihren Einfluss auf die Rebellen in Idlib nutzt, um die Entwaffnung und Auflösung einiger Gruppen zu erreichen. Die Gespräche der Türken mit radikalislamischen Milizen laufen derzeit, doch ist unklar, was mit den vielen Kämpfern – erklärten Todfeinden der syrischen Regierung – geschehen soll, wenn sie ihre Waffen abgeben.
Die Türkei schickte in den vergangenen Tagen ihren Außenminister, den Verteidigungsminister und den Geheimdienstchef zu Gesprächen nach Moskau. Außenamtschef Mevlüt Cavusoglu nannte Russland einen „strategischen Partner“der Türkei. Eine groß angelegte Offensive in Idlib wäre eine Katastrophe, warnte er. Zugleich räumte er aber ein, dass etwas gegen die radikalislamischen Gruppen in der Gegend getan werden müsse. Moskau und Ankara verfolgen gegensätzliche Interessen in Idlib: Russland will die Provinz – die letzte von Rebellen gehaltene Gegend im Westen Syriens – möglichst rasch wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung bringen. Dagegen unterstützt die Türkei einige der dort verschanzten Rebellengruppen und fürchtet eine neue Flüchtlingswelle. Zudem unterhält die Türkei in Idlib zwölf Beobachtungsposten mit rund tausend Soldaten, die bei einem Angriff syrischer Truppen in Gefahr geraten könnten. Während Russland den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stützt, strebt Ankara seit Jahren den Sturz des Staatschefs an.
Dennoch sind beide Seiten entschlossen, ihr Bündnis nicht an Idlib zerbrechen zu lassen. Russland braucht die Zusammenarbeit mit der Türkei, um den Krieg in Syrien bald zu beenden. Umgekehrt ist die Türkei bei ihren Militäraktionen in Syrien auf russisches Einvernehmen angewiesen. Beide Länder streben zudem eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien an: Die Türkei will möglichst viele der drei Millionen Syrer im Land nach Hause schicken und Russland will sich als Friedensbringer profilieren. Gelegenheit zur Stärkung der türkisch-russischen Zusammenarbeit in Syrien
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