Doppelt benachteiligt
Ja, es gibt größere Probleme auf dem Weg zur Gleichberechtigung als ein Damenrasierer, der 50 Cent mehr kostet als das Pendant für Männer. Sexismus am Arbeitsplatz zum Beispiel oder ungleiche Löhne. Doch bei „Gender Pricing“geht es um mehr als ein paar Cent. Frauen werden doppelt benachteiligt. Sie verdienen bei gleicher Arbeit weniger als Männer – und zahlen höhere Preise beim Friseur oder im Drogeriemarkt. Auffällig ist, dass Frauen vor allem im Segment der Schönheitspflege stärker zur Kasse gebeten werden. Also in einem Bereich, auf dem ein erhöhter Druck auf sie liegt. Viele Frauen haben das Gefühl, ein gepflegtes Äußeres ist wichtig, um gesellschaftlich anerkannt zu werden. Der missbilligende Blick auf unrasierte Achselhöhlen trifft eher sie als ihn. Frauen sind daher eher bereit, mehr Geld für Schönheitspflege auszugeben. Das nutzen Handel wie Dienstleister aus und verlangen höhere Preise von ihren Kundinnen. Kosten anzugleichen ist ein Schritt – Frauen weniger auf ihr Äußeres zu reduzieren, der andere. vor allem damit, dass für Männerschuhe mehr Material benötigt werde. Oder kurz: Sohlen für Stilettos der Größe 38 sind kleiner und daher kostengünstiger als die für Männerschuhe der Größe 46. Auch bei Online-Dating-Börsen gibt es unterschiedliche Preise für die Geschlechter. Beispielsweise müssen Männer bei Single.de eine Anmeldegebühr entrichten. Frauen dagegen dürfen kostenlos auf die Suche nach dem Traummann gehen. Die Anbieter argumentieren hierbei mit dem hohen Männeranteil in Datingportalen.
Doch wie verbreitet ist Gender Pricing? Bezogen auf die Millionen Produkte in der bunten Warenwelt gäbe es nur in einem statistischkleinen Bereich einen Preisunterschied für Männer und Frauen. In Hinblick auf die untersuchten Dienstleistungen ergibt sich aber ein eindeutiges Bild: In 60 Prozent der Fälle gab es unterschiedliche Preise je nach Geschlecht – zum Nachteil der Frauen.
Was subjektiv unfair erscheint, ist gesellschaftlich betrachtet eine problematische Entwicklung: „Alles, was mit Schönheit zu tun hat, das wird bei Frauen erwartet“, sagt Professorin Wersig. Daher stecke das weibliche Geschlecht viel Zeit und mehr Geld in sein Aussehen. Wenn Frauen sich nicht um ihr Äußeres kümmern, dann haben sie mit sozialen Sanktionen zu rechnen, glaubt Wersig. Eine Frau, die ihre Beine nicht rasiert, werde mehr verschmäht als ein Mann mit unrasierter Brust. Daher sei das weibliche Geschlecht eher bereit, höhere Kosten auf sich zu nehmen.
Da Drogeriemärkte meist in Männer- und Frauenabteilungen gegliedert sind, fällt vielen der Preisunterschied nicht auf. Die Professorin rät: „Es lohnt sich immer, mit offenen Augen Kaufentscheidungen zu treffen.“Denn der blaue Nassrasierer rasiert genauso wie der rosafarbene.