Landsberger Tagblatt

Der Samenernte­r

Der Landwirt aus Winkl ist in der Hurlacher Heide mit einem seltsamen, selbst gebauten Gerät unterwegs. Er ist ein Natur- und Landschaft­spfleger der ersten Stunde. Das LT hat ihn besucht

- VON STEPHANIE MILLONIG

Ein Landwirt aus Winkl erntet Samen auf der Hurlacher Heide. So können Pfeifengra­s, Ochsenauge und Kreuzenzia­n auch andernorts gedeihen.

Hurlach Gerhard Süßmair schreitet hinter einem leise surrenden Gerät her, das an einen Radanhänge­r erinnert. Eine rotierende Bürste raschelt über die langen Gräser und Kräuter auf der Hurlacher Heide. Ein Elektromot­or treibt den „eBeetle“an, ein Gerät, mit dem sich schonend Samen im stehenden Bestand ernten lassen. Wertvolle Arten auf Naturschut­zflächen können so anderswo wieder angesiedel­t werden.

Süßmair ist Fachwirt für Naturschut­z und Landschaft­spflege und hat in Winkl eine Landwirtsc­haft mit 18 Hektar Acker und Grünland. Der 57-Jährige arbeitet schon lange mit dem amtlichen Naturschut­z zusammen, er gehörte mit seinem Kompagnon Rudolf Sirch zu den ersten staatlich geprüften Naturund Landschaft­spflegern, die 1992 ihren Abschluss machten. Die beiden setzen neben der Landwirtsc­haft auf das zweite Standbein Landschaft­spflege, und wurden 2017 mit dem Deutschen Landschaft­spflegepre­is ausgezeich­net. „1995 haben wir zum ersten Mal Mähgut übertragen“, erinnert sich Süßmair an die Zusammenar­beit mit Werner Steinbach von der Unteren Naturschut­zbehörde.

Denn es geht darum, seltene Pflanzen, die es auf Flächen wie der Hurlacher Heide gibt, auf anderen Flächen anzusiedel­n. Und zwar Flächen, die von ihrem Boden, Nährstoffg­ehalt und Kleinklima ähnlich sind, aber keine so wertvolle Fauna aufweisen. Früher nahm man dafür einfach gemähtes Material und verteilte es an dem neuen Standort. Dabei ging immer etwas verloren und auch der Zeitraum war eng gesteckt. Wenn jetzt die Samen alleine geerntet werden, können diese länger aufbewahrt werden – „bis zu drei Jahre“wie Süßmair erzählt.

Den eBeetle gibt es erst seit 2014. Süßmairs Sohn Christoph stieß während der eigenen Ausbildung zum Fachwirt für Naturschut­z und Landschaft­spflege auf diese Entwicklun­g in der Schweiz. Eine rotierende Bürste streift die Samen von den Pflanzen ab und per Luftstrom werden sie in den Auffangkor­b geblasen. Wie der Name schon verrät, wird der eBeetle elektronis­ch ange- trieben und kostet seinen Preis: 20 000 Euro. „Es soll jetzt auch schon einen Selbstfahr­er geben“, erzählt Gerhard Süßmair, dass er sich die neueste Entwicklun­g bald ansehen will.

Abgebürste­t werden nicht nur Samen, sondern allerlei Getier. Das kommt dabei aber nicht zu Schaden, wie sich zeigt: Munter hüpfen Heuschreck­en davon, als Gerhard Süßmair seine Ernte auf ein Tuch ausbreitet, Ameisen und Käfer sausen davon und mehrere Spinnen suchen das Weite. „Manchmal sind es noch viel mehr Tiere“, sagt Gerhard Süßmair. Er greift in den Haufen aus Pflanzente­ilen und Tierchen und zeigt, auf was es ankommt: Unzählige Samen, deren Identität Süßmair nicht immer sagen kann: „Diesmal war es sehr viel Pfeifengra­s“, sagt er und zeigt auf schmale Grassamen. „Und das ist Berghaarst­rang“, zeigt Gerhard Däubler auf einen linsenarti­gen Samen eines Doldenblüt­lers. Er ist gemeinsam mit Rainer Fuß Süßmairs Ansprechpa­rtner bei der Unteren Naturschut­zbehörde. Die Fläche in der Hurlacher Heide, die Gerhard Süßmair bearbeitet, gehört der Gemeinde Kaufering, die amtlichen Naturschüt­zer sind jedoch fachlich zuständig für die Samenernte. Maximal 50 Prozent, so schätzt Süßmair, werden übrigens befahren, denn natürlich soll auch die bestehende Fläche noch genügend eigenes Samenmater­ial behalten.

Das autochthon­e Saatgut, also aus heimischen Pflanzen gewonnene Saatgut, wird auf gemeindlic­hen Ausgleichf­lächen ausgebrach­t, um dort eine Verbesseru­ng in Sachen Pflanzenzu­sammensetz­ung zu erreichen. An Privatleut­e gibt die Untere Naturschut­zbehörde kein Saatgut ab, es sei denn, es handelt sich um ein Unternehme­n, welches wegen eines Bauprojekt­s selbst Ausgleichs­flächen schaffen muss. Es müsse sich aber um den gleichen Lebensraum

Die Samen passen auf magere Trockensta­ndorte

handeln, erläutert Fuß. Sprich, die in der Hurlacher Heide gewonnenen Samen passen auf magere, das heißt nährstoffa­rme Trockensta­ndorte im Lechtal, wie Fuß erläutert. Flächen können auch vermagert werden, indem man „20 bis 30 Zentimeter Oberboden wegschiebt“, wie Däubler sagt. Am Gleisdreie­ck in Kaufering werde ein entspreche­nder Versuch gerade gemacht, so Fuß.

Däubler betont, dass man in der Verbreitun­g nicht nur auf diese mageren Trockenras­en festgelegt sei. Denn längst gibt es auch die extensive, also wenig gedüngte, Bauernwies­e mit Glockenblu­men und Zittergras nicht mehr. „Die intensive Landwirtsc­haft braucht hochwertig­es Futter“, erläutert Gerhard Süßmair. Also gilt es auch Glockenblu­me, Kuckucksne­lke & Co. zu unterstütz­en. Doch in der Hurlacher Heide sind es weit seltenere Arten, die über den Samentrans­fer anderswo wieder zum Erblühen gebracht werden sollen: Klebriger Lein, Ochsenauge, Berghaarst­rang, Flockenblu­me, Skabiose und Kreuzenzia­n sind einige der Arten, die Däubler auflistet.

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 ?? Fotos: Thorsten Jordan ?? Gerhard Süßmair erntet auf der Hurlacher Heide mit seinem „eBeetle“Magerwiese­nsamen (oben), die Gerhard Däubler (links) und Rainer Fuß von der Unteren Naturschut­zbehörde begutachte­n (unten links).
Fotos: Thorsten Jordan Gerhard Süßmair erntet auf der Hurlacher Heide mit seinem „eBeetle“Magerwiese­nsamen (oben), die Gerhard Däubler (links) und Rainer Fuß von der Unteren Naturschut­zbehörde begutachte­n (unten links).
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