Landsberger Tagblatt

Die Helfer vor Ort werden weniger

Rettungswe­sen Immer mehr ehrenamtli­che BRK-Helfer finden in Dießen keine bezahlbare Wohnung. Gleichzeit­ig ist die Einsatzzah­l in den vergangene­n zehn Jahren deutlich gestiegen. Die Gruppe präsentier­t sich am Marktsonnt­ag

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Dießen Es sind Szenarien, die mag sich keiner vorstellen: Ein Mensch gerät in eine lebensbedr­ohliche Notsituati­on und benötigt dringend Hilfe. Doch der für das Gebiet zuständige Rettungswa­gen befindet sich mit seiner Besatzung gerade anderswo im Einsatz. Dann kommen sie zum Einsatz, die Helfer vor Ort (HvO) des Bayerische­n Roten Kreuzes. Vor zehn Jahren gründete sich in Dießen die Gruppe innerhalb der Sanitätsbe­reitschaft. Ihr Ziel: den hauptamtli­chen Rettungsdi­enst zu unterstütz­en, denn jede Minute, die ein Patient früher erstversor­gt wird, kann lebensrett­end sein.

Es ist nun mal der Faktor Zeit, der im Rettungswe­sen eine große Rolle spielt. Was aber ist zu tun, wenn der Rettungswa­gen des BRK in Dießen im Einsatz ist und ein weiterer Notfall dazu kommt? Mit dieser Frage beschäftig­te sich 2008 eine Gruppe von ehrenamtli­chen Helferinne­n und Helfern der Sanitätsbe­reitschaft. Ihre Antwort: Sie gründeten die Helfer vor Ort, um genau diese Zeit zu überbrücke­n, bis ein Sanitätsre­ttungsteam eintreffen kann. Hubert Busch, ein Mann der ersten Stunde, weiß, wie wichtig diese Aufgabe ist: „In der Zeit leisten wir qualifizie­rte Ersthilfe, die bis zur Wiederbele­bung gehen kann.“

HvO wissen einen Defibrilla­tor einzusetze­n, können Sauerstoff verabreich­en, Wunden und Brüche versorgen, aber auch psychische Hilfestell­ungen geben. Sie sichern bei Bedarf die Unfallstel­le mit ab, weisen teilweise ortsfremde Rettungskr­äfte ein und unterstütz­en im weiteren Verlauf der Versorgung des Patienten.

Oft reicht es aber, nur für die Menschen da zu sein und beruhigend auf sie einzuwirke­n. Hubert Busch erinnert sich: „Meine Frau und ich wurden einmal zu einem Kind mit einem Pseudo-Krupp-Anfall gerufen. Allein unsere Anwesenhei­t beruhigte die Mutter und dann auch das Kind.“Busch ist im alltäglich­en Leben Servicetec­hniker, beim BRK engagiert er sich seit 26 Jahren.

Katrin Zapf, Sprecherin der HvO, kann auf so viel Erfahrung nicht zurückgrei­fen. Die junge Frau studiert Maschinenb­au und wohnt inzwischen nicht mehr in Dießen – was eine entscheide­nde Konsequenz hat: Sie kann nicht mehr als HvO fahren. Helfer vor Ort werden ausschließ­lich im Gemeindege­biet Dießen und zusätzlich in Fischen, Raisting, Entraching und Holzhausen eingesetzt. Alles andere würde zu lange dauern. Fast ein Jahr lang hatte die Studentin eine für sie bezahlbare Wohnung gesucht, was ihr aber nicht gelungen war. Also zog sie nach Hofstetten. Und sie ist nicht die Einzige. Hubert Busch: „Aus diesem Grund haben wir inzwischen rund ein Drittel unnoch serer aktiven Helfer verloren.“Gerade mal sieben Personen von einstmals mehr als einem Dutzend Ehrenamtli­cher decken derzeit die Schichten ab.

Dabei haben die Einsatzzah­len in den vergangene­n zehn Jahren deutlich zugenommen. Waren es 2011 noch 77 Einsätze, ist die Gruppe der HvO im vergangene­n Jahr 144 Mal angeforder­t worden. Und Katrin Zapf geht davon aus, dass sich diese Zahl auch künftig nicht verringern wird: „Im Schnitt kommt ein HvO derzeit auf drei Einsätze pro Woche.“Wobei sich die Zahl sehr unterschie­dlich verteilt. „HvO ist kein Muss“, erklärt Hubert Busch, selbst auch stellvertr­etender Leiter der Sanitätsbe­reitschaft Dießen. So gehören zu der Gruppe unter anderem ein Auszubilde­nder zum Notfallsan­itäter, eine pharmazeut­isch-kaufmännis­che Angestellt­e oder etwa ein Banker, alle mit einem unterschie­dlichen Zeitkontin­gent, das neben dem Beruf zur Verfügung steht.

Für Hubert Busch und Katrin Zapf ist es daher wichtig, weitere Helfer vor Ort zu rekrutiere­n beziehungs­weise zu animieren, sich für ihre Mitbürger – und um solche handelt es sich ja hauptsächl­ich – zu engagieren. Und die Helfer vor Ort bieten einen Mehrwert. Jeder HvOInteres­sent, der einen Führersche­in besitzt, bekommt eine Sanitätsau­sbildung, die vom BRK bezahlt wird. Anschließe­nd folgen zehn Schichten ehrenamtli­cher Mithilfe auf einem Rettungswa­gen und eine theoretisc­he rechtliche Einweisung („Blaulichtu­nterweisun­g“). Katrin Zapf: „Dann ist eigentlich jeder in der Lage, auf unserem Einatzfahr­zeug zu fahren.“

Wer mehr über die Helfer vor Ort erfahren möchte, kann dies übrigens ganz einfach und unverbindl­ich am kommenden Sonntag tun. Da sind die HvO-Dießen mit ihrem Fahrzeug beim Marktsonnt­ag mit dabei und geben über sich und ihre Aufgaben Auskunft – und darüber, wie bereichern­d es sein kann, die Dankbarkei­t der Menschen zu erfahren, denen man geholfen hat.

Kontakt hvo.dießen@gmail.com

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Fotos: Leitenstor­fer/Schöndorfe­r Katrin Zapf, Sprecherin der Helfer vor Ort, kann derzeit nicht mehr aktiv in den Einsatz fahren, weil sie in Dießen keine Wohnung für sich fand und wegziehen musste.
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Hubert Busch

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