Die Helfer vor Ort werden weniger
Rettungswesen Immer mehr ehrenamtliche BRK-Helfer finden in Dießen keine bezahlbare Wohnung. Gleichzeitig ist die Einsatzzahl in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Die Gruppe präsentiert sich am Marktsonntag
Dießen Es sind Szenarien, die mag sich keiner vorstellen: Ein Mensch gerät in eine lebensbedrohliche Notsituation und benötigt dringend Hilfe. Doch der für das Gebiet zuständige Rettungswagen befindet sich mit seiner Besatzung gerade anderswo im Einsatz. Dann kommen sie zum Einsatz, die Helfer vor Ort (HvO) des Bayerischen Roten Kreuzes. Vor zehn Jahren gründete sich in Dießen die Gruppe innerhalb der Sanitätsbereitschaft. Ihr Ziel: den hauptamtlichen Rettungsdienst zu unterstützen, denn jede Minute, die ein Patient früher erstversorgt wird, kann lebensrettend sein.
Es ist nun mal der Faktor Zeit, der im Rettungswesen eine große Rolle spielt. Was aber ist zu tun, wenn der Rettungswagen des BRK in Dießen im Einsatz ist und ein weiterer Notfall dazu kommt? Mit dieser Frage beschäftigte sich 2008 eine Gruppe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der Sanitätsbereitschaft. Ihre Antwort: Sie gründeten die Helfer vor Ort, um genau diese Zeit zu überbrücken, bis ein Sanitätsrettungsteam eintreffen kann. Hubert Busch, ein Mann der ersten Stunde, weiß, wie wichtig diese Aufgabe ist: „In der Zeit leisten wir qualifizierte Ersthilfe, die bis zur Wiederbelebung gehen kann.“
HvO wissen einen Defibrillator einzusetzen, können Sauerstoff verabreichen, Wunden und Brüche versorgen, aber auch psychische Hilfestellungen geben. Sie sichern bei Bedarf die Unfallstelle mit ab, weisen teilweise ortsfremde Rettungskräfte ein und unterstützen im weiteren Verlauf der Versorgung des Patienten.
Oft reicht es aber, nur für die Menschen da zu sein und beruhigend auf sie einzuwirken. Hubert Busch erinnert sich: „Meine Frau und ich wurden einmal zu einem Kind mit einem Pseudo-Krupp-Anfall gerufen. Allein unsere Anwesenheit beruhigte die Mutter und dann auch das Kind.“Busch ist im alltäglichen Leben Servicetechniker, beim BRK engagiert er sich seit 26 Jahren.
Katrin Zapf, Sprecherin der HvO, kann auf so viel Erfahrung nicht zurückgreifen. Die junge Frau studiert Maschinenbau und wohnt inzwischen nicht mehr in Dießen – was eine entscheidende Konsequenz hat: Sie kann nicht mehr als HvO fahren. Helfer vor Ort werden ausschließlich im Gemeindegebiet Dießen und zusätzlich in Fischen, Raisting, Entraching und Holzhausen eingesetzt. Alles andere würde zu lange dauern. Fast ein Jahr lang hatte die Studentin eine für sie bezahlbare Wohnung gesucht, was ihr aber nicht gelungen war. Also zog sie nach Hofstetten. Und sie ist nicht die Einzige. Hubert Busch: „Aus diesem Grund haben wir inzwischen rund ein Drittel unnoch serer aktiven Helfer verloren.“Gerade mal sieben Personen von einstmals mehr als einem Dutzend Ehrenamtlicher decken derzeit die Schichten ab.
Dabei haben die Einsatzzahlen in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Waren es 2011 noch 77 Einsätze, ist die Gruppe der HvO im vergangenen Jahr 144 Mal angefordert worden. Und Katrin Zapf geht davon aus, dass sich diese Zahl auch künftig nicht verringern wird: „Im Schnitt kommt ein HvO derzeit auf drei Einsätze pro Woche.“Wobei sich die Zahl sehr unterschiedlich verteilt. „HvO ist kein Muss“, erklärt Hubert Busch, selbst auch stellvertretender Leiter der Sanitätsbereitschaft Dießen. So gehören zu der Gruppe unter anderem ein Auszubildender zum Notfallsanitäter, eine pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte oder etwa ein Banker, alle mit einem unterschiedlichen Zeitkontingent, das neben dem Beruf zur Verfügung steht.
Für Hubert Busch und Katrin Zapf ist es daher wichtig, weitere Helfer vor Ort zu rekrutieren beziehungsweise zu animieren, sich für ihre Mitbürger – und um solche handelt es sich ja hauptsächlich – zu engagieren. Und die Helfer vor Ort bieten einen Mehrwert. Jeder HvOInteressent, der einen Führerschein besitzt, bekommt eine Sanitätsausbildung, die vom BRK bezahlt wird. Anschließend folgen zehn Schichten ehrenamtlicher Mithilfe auf einem Rettungswagen und eine theoretische rechtliche Einweisung („Blaulichtunterweisung“). Katrin Zapf: „Dann ist eigentlich jeder in der Lage, auf unserem Einatzfahrzeug zu fahren.“
Wer mehr über die Helfer vor Ort erfahren möchte, kann dies übrigens ganz einfach und unverbindlich am kommenden Sonntag tun. Da sind die HvO-Dießen mit ihrem Fahrzeug beim Marktsonntag mit dabei und geben über sich und ihre Aufgaben Auskunft – und darüber, wie bereichernd es sein kann, die Dankbarkeit der Menschen zu erfahren, denen man geholfen hat.
Kontakt hvo.dießen@gmail.com