Wollten sie den Terror nach Chemnitz bringen?
Sicherheit Sechs Männer aus der Hooligan- und Neonazi-szene planten angeblich, am Tag der Einheit ein Zeichen der Gewalt zu setzen. Es soll schon einen „Probelauf“gegeben haben. Für die Polizei sind sie keine Unbekannten mehr
Chemnitz/berlin Chemnitz will den Tag der Deutschen Einheit mit einem „Fest für Toleranz und Demokratie“begehen. Doch während die lokale Wirtschaftsförderung gemeinsam mit Vereinen aus der Kulturund Jugendarbeit Stände und ein Bühnenprogramm organisiert, bereitet sich in der Stadt auch eine Gruppe von Rechtsextremisten auf den Tag vor.
Was die Männer aus der örtlichen Hooligan- und Neonazi-szene genau planten, ist noch nicht bekannt. Fest steht nur: Im September haben sie sich laut Generalbundesanwalt zur Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“zusammengeschlossen. Gewalt spielt in ihrem Szenario eine Rolle. Am Tag der Einheit sollte ein Zeichen gesetzt werden. Zumindest einige von ihnen waren den Sicherheitsbehörden vorher schon als Rechtsextremisten bekannt. Bei einem von ihnen, einem 30-Jährigen, soll es sich nach Recherchen der
Süddeutschen Zeitung um ein ehemaliges Mitglied der 2007 verbotenen gewalttätigen Neonazi-gruppe „Sturm 34“handeln, die im sächsischen Mittweida ihr Unwesen trieb.
Die Mitglieder von „Revolution Chemnitz“sollen bewaffnete Angriffe auf Ausländer, Politiker und Journalisten ins Auge gefasst haben. Die Männer, die auf Anordnung des Generalbundesanwaltes am Montag in Sachsen und Mittelfranken festgenommen wurden, wollten nach Angaben der Ermittler mit Gewalt gegen den Rechtsstaat kämpfen und hatten sich auch um halbautomatische Schusswaffen bemüht. Nach Informationen der Süddeutschen
Zeitung war geplant, mehr Terror zu verbreiten als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), der neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft getötet sowie eine Polizistin ermordet hatte.
Bei der Durchsuchung der Wohnungen der Verdächtigen wurden Schlagstöcke, aber keine Schusswaffen gefunden. Spätestens am 11. September soll sich die Gruppe „Revolution Chemnitz“formiert Drei Tage später gab es in Chemnitz einen Angriff auf Ausländer – den der Generalbundesanwalt jetzt als „Probelauf“für die Pläne der Gruppe am Tag der Deutschen Einheit einstuft. 15 Verdächtige, die sich Zeugenaussagen zufolge als „Bürgerwehr“bezeichneten, hatten nach einer Kundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz Iraner und Pakistaner angegriffen.
Bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroschocker mischten in dieser Gruppe den Ermittlungen zufolge Christian K. und vier weitere der jetzt Beschuldigten mit. Nach bisherigen Erkenntnissen gehören die Beschuldigten der Hooligan-, Skin- und Neonazi-szene im Raum Chemnitz an und sollen sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben.
Bayern war nach Informationen aus Sicherheitskreisen lediglich in die polizeilichen Maßnahmen involviert, weil einer der sechs Verdächtigen auf der Durchreise war. Er war auf dem Weg nach Stuttgart und wurde an der Autobahnraststätte Aurach bei Ansbach festgenommen.
Die Terrorgruppe bildete sich offensichtlich kurz nach den fremdenfeindlichen Übergriffen und Protesten in Chemnitz. Auslöser für Übergriffe und Demos war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Deutschhaben. Kubaners am Rande eines Stadtfestes Ende August. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber. Es folgten von Hooligans geprägte Demonstrationen und sogenannte Trauermärsche, bei denen es zu ausländerfeindlichen Übergriffen kam. Ein Video, das eine kurze Jagdszene zeigt, löste eine Debatte über den Begriff „Hetzjagd“aus. Verfassungsschutzchef Hans-georg Maaßen hatte zunächst die Echtheit des Videos angezweifelt. Wenig später musste er seinen Posten räumen.
Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Mitglieder der Gruppe sollen Angriffe auf Ausländer und politisch Andersdenkende geplant haben. „Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erhead- kenntnissen zufolge auch Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments.“Für zwei Männer wurde am Montag durch den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Untersuchungshaft angeordnet. Zwei weitere Verdächtige sollten noch am Montag ebenfalls dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, die anderen am Dienstag.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte vor einer generell unverändert hohen Terrorgefahr. Zugleich begrüßte er die Festnahmen. „Das ist die Realisierung unseres Grundsatzes ‚Null Toleranz‘ gegenüber Rechtsradikalen und Rechtsextremisten.“