Kippt das Glyphosat-Urteil?
Hinter der Millionen-Strafe für Monsanto steht plötzlich ein großes Fragezeichen. Für die Konzernmutter Bayer geht es um viel
Wichtiger Teilerfolg für die Bayer AG: Im ersten USProzess um angebliche Krebsrisiken von Unkrautvernichtern der Tochter Monsanto mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat bahnt sich eine Kehrtwende an. Die zuständige Richterin Suzanne Ramos Bolanos gab am Mittwoch vorläufig einem Antrag statt, den Fall in wesentlichen Teilen neu aufzurollen. Sie machte dem Bayer-Konzern in einer Berufungsanhörung Hoffnung auf eine deutlich geringere Strafe. Der Fall ist für den Agrarchemie-Riesen enorm wichtig – es geht um ein 289 Millionen US-Dollar, umgerechnet etwa 251 Millionen Euro, schweres Urteil, das Signalwirkung für tausende weitere Klagen hat.
Im August hatte eine Jury des Gerichts in Kalifornien Monsanto zur Schadenersatzzahlung in dreistelliger Millionenhöhe an den an Lymphdrüsenkrebs erkrankten Kläger Dewayne „Lee“Johnson verurteilt. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass glyphosathaltige Monsanto-Produkte krebserregend sind und der Hersteller davor nicht nur nicht ausreichend gewarnt, sondern sogar in böswilliger Absicht die Risiken verschleiert hat. Monsanto legte Berufung ein und fordert, dass der Fall wegen unzu- reichender Beweise neu verhandelt wird. Dem stimmte das Gericht auf vorläufiger Basis weitgehend zu.
Die Klägeranwälte hätten keine „klaren und überzeugenden Beweise“für vorsätzliches Fehlverhalten von Monsanto vorgelegt, hieß es in der Begründung von Richterin Bolanos. Dadurch könnte sich der Schadenersatz deutlich verringern. Die anschließende, mehr als zwei Stunden lange Gerichtsanhörung verlief teils hitzig – Monsantos Verteidiger erhoben heftige Vorwürfe gegen die Klägerseite. Sie beschul- digten insbesondere den Anwalt Brent Wisner, der das Urteil vom August erstritten hatte, die Jury mit Unwahrheiten aufgehetzt zu haben. „Dies war kein fairer Prozess“, sagte Monsantos Anwalt George Lombardi mehrmals und forderte vehement eine Neuauflage.
Wisner, der nicht persönlich bei Gericht erscheinen konnte und sich von seinem Kollegen Michael Miller vertreten ließ, meldete sich aufgebracht per Telefon zu Wort: „Ich werde hier laufend der Lüge bezichtigt“, dabei habe er sich gegenüber der Jury korrekt verhalten. Die Geschworenen hätten eine wohlüberlegte Entscheidung getroffen – die dürfe nicht aufgehoben werden.
Richterin Bolanos beendete den Gerichtstermin letztlich ohne eine formale Anordnung, den Prozess in die nächste Runde zu schicken. Sie forderte die Streitparteien auf, bis Freitag noch einmal schriftlich ihre Argumente einzureichen, und kündigte an, sich danach endgültig festzulegen. Bayer begrüßte die vorläufige Entscheidung der Richterin. Der Konzern sei „weiterhin davon überzeugt, dass das Urteil und die Schadenersatzforderungen im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen stehen“, hieß es in einem Statement.