Die Elbphilharmonie von München
Die Bayerische Staatsoper ist ein besonderer Ort für besondere Inhalte. Luxus-Vorwürfe, Baustellen-Klau, Brand und Bombardierung bestimmen ihre Historie
Knappe öffentliche Kassen und große Bauvorhaben – das sorgt meist für Diskussionen. Geht es nicht eine Nummer kleiner?
Das war schon vor 200 Jahren so, als in München das Bayerische Nationaltheater gebaut wurde.
„Schauen Sie sich die Elbphilharmonie an, das ist durchaus vergleichbar“, meint Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler. „In zehn Jahren werden alle stolz auf die Elbphilharmonie sein und alle Probleme sind vergessen.“Ähnlich wie bei dem 2017 eröffneten Hamburger Konzerthaus hatten sich beim Nationaltheater in München die Bauarbeiten in die Länge gezogen: 1811 schon hatte man unter dem jungen Architekten Karl von Fischer mit viel Optimismus den Grundstein gelegt. Dann wurde es schwierig. Geld für den Inhalt ganz wesentlich, findet Intendant Bachler. Der Mensch schaffe besondere Orte für besondere Inhalte. „Wenn Sie vor der Bayerischen Staatsoper stehen, fühlen Sie, dass hier seit 200 Jahren Musik und künstlerische Auseinandersetzung stattfinden“– heute mit so berühmten Sängern wie Sopranistin Diana Damrau und Tenor Jonas Kaufmann. Dazu der Dirigent Kirill Petrenko.
Nicht immer aber war diese beschworene künstlerische Auseinandersetzung so spürbar wie vor 100 Jahren, als Kurt Eisner in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 den Freistaat Bayern ausrief. Das Königliche Hof- und Nationaltheater wurde mit dem Ende der Monarchie zur Staatsoper. Am 17. November lud der Rat der Soldaten, Arbeiter und Bauern zur Revolutionsfeier in das Haus, Eintrittskarten fürs Volk waren kostenlos. Bruno Walter dirigierte die Leonoren-Ouvertüre aus Ludwig van Beethovens Befreiungsoper „Fidelio“und Eisner war begeistert: „Das Kunstwerk, das wir eben gehört, schafft in prophetischer Voraussicht die Wirklichkeit, die wir eben erleben“, sagte er danach in einer viel beachteten Rede. „In dem Augenblicke, da der Wahnsinn der Welt den Gipfel des Entsetzens erreicht zu haben schien, verkünden aus der Ferne Trompetensignale neue Hoffnung, neue Zuversicht.“
Revolutionäre Worte in unruhigen Zeiten. Auch heute sieht Intendant Bachler das Haus in der Pflicht, die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen zu suchen. „Es gibt heute vielleicht keine Revolutionsfeier, aber dass wir gesellschaftliche Bezüge herstellen und uns in den Stücken zu den zwischenmenschlichen und humanitären Themen äußern, ist von Bedeutung. Kunst, die keine Botschaft hat, hat keinen Sinn.“ Die Leipziger waren angetan vom Können dieses Mannes, gerne hätte sie ihn zum neuen Thomaskantor gemacht. Doch sein Dienstherr, der Landgraf von Hessen-Darmstadt, wusste auch, was er an Christoph Graupner hatte, und pfiff ihn wieder zurück – weshalb 1723 dann Bach den Posten in Leipzig erhielt. Graupner blieb bis zu seinem Tod Darmstadt verbunden und setzte hier sein Schaffen fort: Sinfonien, Kammer- und Klaviermusik, vor allem aber mehr als 1400 (!) Kirchenkantaten. Schon einmal haben das Capricornus Consort Basel und die So- pranistin Miriam Feuersinger eine
Auswahl davon präsentiert, jetzt legt man nach. Weitere vier Kantaten zeigen Graupner als einen in allen Mitteln seiner Zeit versierten Komponisten. Miriam Feuersingers vokale Linien sind quellwasserklar und noch in der Höhe voller Leichtigkeit und Strahlkraft. Mit Geschmack und Eloquenz nähern sich die Sopranistin und Countertenor Franz Vitzthum den religiösen Texten an, und so wächst den Arien und Duetten auf natürliche Weise Bekenntnis und Glaubenseifer zu. **** * Was auf den ersten Blick wie ein kunterbunter Strauß erscheint, erweist sich beim genauen Hören als sinnfällig: die Kombination dreier Werke von Strauss, Debussy und Ligeti. Jeder von ihnen beherrschte virtuos Orchestrierung und Instrumentation, was zu gleißenden, schimmernden, funkelnden Klangbildern führt. Wobei Strauss im „Schlagobers“-Ballett zu selbstgewisser Kraftmeierei neigt, Debussy in
„Jeux“zu subtil-artifiziellen Farbwirkungen und Ligeti zu behutsam changierenden Klangflächen. In einer Einspielung des legendären Orchesters Suisse Romande unter Jonathan Nott wird die Gemeinsamkeit der so unterschiedlichen Komponistencharaktere triftig. CD beendet – eine Erkenntnis mehr. *****