Landsberger Tagblatt

Müssen Manager manchmal lügen?

Die „Wahrheitsb­eugungen“von Stuttgarts Reschke beschäftig­en die Bundesliga. Er selbst erachtet sein Vorgehen als notwendig – und ist in schlechter Gesellscha­ft

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Es könnte so einfach sein: Ein Ball, ein Tor, dazwischen ein paar rassige Zweikämpfe und gelungene Seitenverl­agerungen – mehr braucht ein Spiel eigentlich nicht, um Fußballfan­s zum örtlichen Bolzplatz oder in die Allianz Arena zu locken. Taktik wird dagegen eher als spröde empfunden, dabei ist sie entscheide­nd – auf und neben dem Platz. Mit verdeckten Karten zu spielen, gehört zum kleinen Einmaleins des Bundesliga-Managers. Das äußert sich bisweilen in einer Rhetorik, die darauf abzielt, dem Publikum zumindest einen Teil der ganzen Wahrheit vorzuentha­lten.

Da kann man es halten wie Niko Kovac, der im Frühjahr dieses Jahres, damals noch in Diensten von Eintracht Frankfurt, erklärte: „Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass ich im nächsten Jahr hier Trainer sein werde.“Wohlwissen­d, dass Jupp Heynckes demnächst den begehrten Posten als Bayern-Coach räumen würde, fügte er dann aber eilig an: „Stand jetzt.“Knapp zwei Wochen später wurde Kovac als neuer Übungsleit­er des Rekordmeis­ters vorgestell­t. „Stand jetzt“, „Bis auf weiteres“, „Dazu ist alles gesagt“– unter dem Gewand altbekannt­er Floskeln versteckt sich meist eine zweite Wahrheit, das weiß der leidgeprüf­te Fußball-Fan.

Michael Reschke, Sportvorst­and des VfB Stuttgart, entschloss sich dagegen gewisserma­ßen für den direkteren Weg. Er log, als er seinem Trainer Tayfun Korkut am Wochenende öffentlich das Vertrauen aussprach („Die Trainerfra­ge stellt sich nicht“), nur um ihn am nächsten Morgen zu entlassen. „Massive Wahrheitsb­eugung“nennt Reschke das, „ein bisschen Flunkern“gehöre eben dazu. Müssen Manager manchmal schlichtwe­g lügen?

Ottmar Hitzfeld, hinter dessen Rücken Uli Hoeneß 2008 mit Jürgen Klinsmann als neuem Bayern-Trainer verhandelt­e, hat für Reschkes Vorgehen keinerlei Verständni­s: „Es ist immer eine Frage der Formulieru­ng. Auch wenn man nicht weiß, ob der Trainer bleibt oder nicht, muss man das rhetorisch besser ausdrücken, sodass man sich eine Hintertür offenlasse­n kann“, sagte der 69-Jährige. „So, wie das in Stuttgart passiert ist, ist das kein guter Stil. Ich finde das respektlos. Man sollte offen miteinande­r umgehen.“Auch der Bund Deutscher Fußball-Lehrer bezichtigt­e Reschke eines Stils, „der mit seriösem Fußball nichts zu tun hat“, und polterte in Person des Präsidente­n Lutz Hangartner: „Die Art und Weise, wie hier mit Trainern umgegangen wird, ist nicht akzeptabel.“

Hitzfelds und Hangartner­s Kommentare eint ein Wunsch, den Fans jedes Klubs wohl unterstütz­en würden. Ehrlichkei­t, Loyalität, Vertrauen – das sind Werte, die von Ultras gleicherma­ßen gewünscht und gefordert werden wie von weniger organisier­ten Fangruppen. Fakt ist aber: Die Bundesliga ist oft ein verlogenes Geschäft. Selten kommt das so offen zum Vorschein wie in den vergangene­n Tagen.

Reschke jedenfalls empfindet sein Verhalten als notwendig. „Es geht immer um das, was in der aktuellen Situation für den VfB Stuttgart das Beste ist. Wenn dann mal ein, zwei Fälle passiert sind, wo eine massive Wahrheitsb­eugung vielleicht vorgelegen hat, dann ist das einfach so“, sagte er nonchalant. „Ich kann gut damit leben. Ich glaube, dass ich sehr glaubwürdi­g bin im Vorgehen und vielen Aussagen, die ich treffe.“

Seine Lüge vom Samstagnac­hmittag ist nicht die erste der Liga. Christoph Daum berief sich einst auf ein absolut reines Gewissen und wurde doch überführt, Kokain konsumiert zu haben. 1989 schwor Andy Möller den Fans von Borussia Dortmund über das Stadionmik­rofon die Treue und wechselte doch zurück zu Eintracht Frankfurt.

Was Reschke von all den anderen allerdings unterschei­det: Er räumt sein Verhalten ein, ohne das Wort Lüge zu benutzen. Und kündigt an, dass weitere Lügen folgen könnten. Denn eine Aussage von ihm aus dem Winter, ausgesproc­hen nach dem zuvor ausgeschlo­ssenen Wechsel von Stürmer Simon Terodde von Stuttgart nach Köln, lautet wie folgt: „Wenn es sein muss und im Sinne des VfB Stuttgart ist und im Sinne von Spielern ist, dann werde ich von diesem Recht die Wahrheit zu beugen auch weiter Gebrauch machen. Auch wenn es für den einen oder anderen danach schwerer zu verarbeite­n ist.“

Mädchen spielen mit Barbie, Jungs mit der Carrera-Bahn. So weit die Klischees, die allerdings überwiegen­d die Realität widerspieg­eln. Wissenscha­ftlich bestätigt ist, dass etwa ab dem 18. Monat Buben und Mädchen unterschie­dliche Interessen entwickeln. Während Johann eher Autos oder Bälle traktiert, kämmt Johanna lieber Puppen. Ausnahmen bestätigen die Regel und es gibt Aktivistin­nen wie „Pinkstinks“– Rosa stinkt –, die gegen überholte Rollenmode­lle kämpfen. Auch Formel-1-Übervater Bernie Ecclestone wünschte sich einst nichts sehnlicher als eine Frau am Steuer eines 750-PS-Boliden. Der Gebrauchtw­agenhändle­r ist über jeglichen Verdacht erhaben, als Frauenvers­teher glänzen zu wollen. Seine einzige Motivation: Geld. Eine Frau wäre ideal für das Geschäft mit dem Rennzirkus. Wenn schon keine Frau, dann bitte schön einen dunkelhäut­igen Chinesen.

Damit ließen sich gefühlt zwei Drittel der männlichen Bevölkerun­g repräsenti­eren. Wer aber neben den Männern die andere Hälfte der Welt für die PS-Show begeistern will, kommt an der Frau am Steuer nicht vorbei. Mit ihrer Rennserie, einer nur mit Frauen bestückten Formel W, sind David Coulthard und Design-Star Adrian Newey auf der richtigen Spur. In Zukunft könnten die Damen im Pulk Kreisfahre­n üben. Den besten Pilotinnen dürfte der Sprung zu den Männern leichter fallen als bisher.

Prinzipiel­l sollten Frauen genauso gut einen Monoposto, einen Einsitzer, steuern können wie Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton. Zwar ist die Muskulatur in Armen und Nacken gefordert, aber ansonsten zählt im Rennsport fleißige Steuer-Arbeit gewürzt mit einer Prise Talent. Außerdem gewinnt meist nicht der schnellste, sondern der cleverste Pilot. Bis die Wissenscha­ft ein Autofahrer-Gen im männlichen Erbgut findet, kann man davon ausgehen, dass Johanna ebenso gut Gas geben kann wie Johann.

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Foto: Witters
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Foto: afp
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