Landsberger Tagblatt

Wir ist out – es gibt nur mich

Frank Lüdecke spricht über die deutschen Verhältnis­se

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Der Titel „Über die Verhältnis­se“kann ein durchaus zweideutig­er sein. Jemand lebt „über die Verhältnis­se“meint, er gibt zu viel Geld aus. Der Kabarettis­t Frank Lüdecke allerdings, der die Saison der Landsberge­r Kleinkunst­bühne s’Maximilian­eum mit seinem Programm solchen Namens eröffnete, redete über die Verhältnis­se – in Bayern, in Deutschlan­d, auf der Welt; in der Politik, im Sport.

Eigentlich ist er ja einer wie der nette Nachbar von nebenan, der Berliner, der in Landsberg auf der Bühne des Stadttheat­ers steht. Er erzählt, blickt auf Spaltung und deutsche Wiedervere­inigung und haut mal zwischendu­rch einen rein, beispielsw­eise, wenn er Aussagen der Bundeskanz­lerin als „rhetorisch­e Plattenbau­ten“bezeichnet. Bedeutend im Sommer 2018? „Wie ein Fußballer Deutschlan­d verändert; dabei verhindert Dummheit doch nicht sportliche Höchstleis­tungen.“Derzeitige Äußerungen aus dem Weißen Haus in Washington ergeben für Lüdecke „keinen politische­n, sondern einen alkoholisc­hen Sinn“. Hans-Olaf Henkel bekommt Streifschü­sse und Querschläg­er ab, der Bildungsmi­ssstand in Deutschlan­d wird an Schüler-Äußerungen festgemach­t. Der viel beklagte Informatio­nsüberflus­s ist „Filtervers­agen“, denn Nachrichte­n nach mehr oder weniger wichtig zu unterschei­den, sei die wahre Kunst. „Wir“ist out, „es gibt kein wir, es gibt nur mich“, ist dem scharf beobachten­den Kabarettis­ten aufgefalle­n. Breiter Raum wird der AfD – „Unsinn, aber anders“– gewährt. Ein großer Irrglauben sei, „dass man annimmt, die AfD würde die Probleme lösen“. Die Bürger im Bundesland Sachsen rückten mit ihrem „wir wollen ’nen Führer mit ’nem Plan“sich und diese Partei in eine rechte Ecke.

Twitter und Whatsapp, Negativzin­sen und die Apothekenu­mschau („Deutschlan­ds meistgeles­ene Zeitschrif­t“), fehlendes Satirevers­tändnis („am besten fand ich seine Brille“), wählen gehen oder eher doch nicht: Frank Lüdecke schneidet viele Themen an, lässt den Zuhörer zuweilen ratlos zurück oder gibt ihm Denkaufgab­en mit auf den Heimweg. Humor kommt nicht zu kurz, etwa wenn er Griechenla­nd streift, das „mit Sokrates gestartet und mit Costa Cordalis gelandet“ist.

Und Frank Lüdecke greift zwischendu­rch zur Gitarre und trägt singend bissige Texte vor, die in leichtem Widerspruc­h zum Urtext der jeweils verwendete­n Melodie stehen. Änderungen seien notwendig in einem Land, in dem sich „die Krankensch­wester Demokratie nicht leisten kann“. Ideen sollten nicht nur entwickelt, sondern müssen auch zugelassen werden, sagt er.

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Foto: Thorsten Jordan
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