Stürzt Italien Europa in die Krise?
Finanzen Die Regierung in Rom weigert sich, weniger Schulden zu machen. Wirtschaftsexperten und Politiker sind entsetzt. Düstere Erinnerungen werden wach
Italien setzt die Politik des Schuldenmachens fort und weckt Ängste, das Land könnte die Eurogemeinschaft wie einst Griechenland in eine Krise stürzen. Die EUKommission hatte der populistischen Regierung in Rom mitgeteilt, der Haushaltsplan sei nicht mit den Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts vereinbar. Die Verantwortlichen in Brüssel zeigen sich alarmiert über das Vorhaben der Mächtigen in Rom, ein Defizit der Wirtschaftsleistung von 2,4 Prozent für 2019 anzupeilen. Denn die Vorgänger-Regierung hatte noch einen viel geringeren Wert von 0,8 Prozent zugesagt. Zwar würde Italien damit die von den Eurostaaten vereinbarte berühmte Grenze von 3,0 Prozent einhalten, aber die Gesamtverschuldung des Landes liegt bei rund 130 Prozent statt maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist der zweithöchste Wert in der Eurozone nach Griechenland.
Deshalb steht Italien unter besonderer Beobachtung der EU und hatte in der Vergangenheit Besserung Doch davon will die Koalition aus europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung und fremdenfeindlicher Lega nun nichts mehr wissen.
Renommierte Wirtschaftsprofessoren reagierten gegenüber unserer Zeitung entsetzt auf die Schuldenpolitik Roms. So sagte der frühere Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn: „Italien kommt aus seiner Krise einfach nicht heraus.“Der bekannteste deutsche Ökonom fügte hinzu: „Entweder kriegt das Land jetzt ganz viel, zunächst als Schulden kaschiertes Geld, oder es geht aus dem Euro heraus.“Sinn glaubt, dies sei die gar nicht mehr so heimliche Devise der Regierung in Rom. Für die anderen EU-Länder wird das nach Einschätzung des Volkswirts sehr unangenehm: „Aber es macht auch keinen Sinn, die Augen weiter vor der Wirklichkeit zu verschließen, wie das uns die Europäische Zentralbank und die deutsche Regierung jahrelang empfohlen haben.“Was die Geduld der anderen EUStaaten mit Italien betrifft, glaubt Sinn: „Die Politik des Aussitzens kommt allmählich an ihr Ende.“
Ein weiterer von unserer Zeitung befragter Ökonom hegt die Hoffnung, dass die italienische Regierung doch noch zur Vernunft kommt. Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, setzt darauf, dass „die Spieler an den Kapitalmärkten die Regierung in Rom zur Haushaltsdisziplin zwingen und die Politiker somit zur Einsicht kommen“. Und das könnte so funktionieren: Schon durch die Ankündigung kostspieliger Pläne, Bürgern in Italien eine Art Grundeinkommen zu gewähren und rund 400000 Menschen einen vorgezogenen Ruhestand zu ermöglichen, ist es für Italien teurer geworden, sich an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Die lockere Haushaltspolitik macht es also für die Regelobt. gierung kostspieliger, neue Schulden aufzunehmen. Das wiederum – und darauf setzt der Experte Hüther – könnte die Populisten in Rom letztlich doch zum Einlenken zwingen. Damit müssten sie aber – wie von der EU gefordert – mehr Haushaltsdisziplin wahren.
Der Europa-Abgeordnete Markus Ferber zeigte sich jedoch im Gespräch mit unserer Zeitung „eher pessimistisch“, was die Lernfähigkeit der Politiker in Rom betrifft: „Es besteht die Gefahr einer größeren Schieflage. Seit Jahrzehnten haben wir Probleme mit Italien.“Die derzeitige Situation bewertet er als brandgefährlich, schließlich sei Italien anders als Griechenland zu groß, um über einen längeren Zeitpunkt finanziert und gerettet zu werden. Ferber glaubt deshalb: „Es ist richtig, dass die EU Italien die Gelb-Rote Karte gezeigt hat. Kommt die Regierung nicht zur Einsicht, muss die Rote Karte folgen.“Der CSU-Politiker hofft, „dass Italien nicht das neue Griechenland wird“.
Mit den Auswirkungen der italienischen Schulden-Pläne beschäftigen wir uns im Kommentar.
„Italien kommt aus seiner Krise einfach nicht heraus.“Der frühere Ifo-Chef
Hans-Werner Sinn