Frau Willigs Gespür für Füße
Seit 40 Jahren ist Monika Willig Fachverkäuferin im Schuhhaus Pflanz in Landsberg. In dieser Zeit hat sie Tausende Kunden betreut und weiß ganz genau, wo viele der Schuh drückt
Wer kennt sie auch, diese Kindheitserinnerung? Wenn früher Großeltern oder Eltern mit dem Kind zweimal im Jahr in ein Schuhgeschäft gingen. In ein richtiges Schuhgeschäft mit Lurchi-Sammelheften, einem hölzernen Drehkarussell und netten, älteren Damen, die vorne an den Zehen herumdrückten. Die Schuhe interessierten einen als Kind weniger, aber dafür die Erwachsenen umso mehr. So ein „richtiges“Schuhgeschäft mit umfassend ausgebildeten Fachverkäuferinnen gibt es in Landsberg heute tatsächlich immer noch. Eine von ihnen ist Monika Willig. Sie arbeitet seit ihrer Lehrzeit im Schuhhaus Pflanz im Vorderanger.
Mitten im Geschäft steht sogar noch ein uraltes Karussell mit blauen Mäusen, auf denen man sitzen kann, und einer roten, lächelnden Katze in der Mitte. Einmal hätten sie das Karussell herausgeräumt, sagt Monika Willig, doch nach lautem Protest der Kunden schnell wieder aufgestellt. Generationen von Kindern sind darauf gesessen und noch heute ist die Anprobe der Schuhe in Verbindung mit einer Karussellfahrt für die Kleinsten attraktiver. Monika Willig arbeitet im Schuhhaus Pflanz, einem der ältesten noch bestehenden Schuhhäuser Deutschlands, wie Seniorchef Heinrich Pflanz stolz erzählt. Dort legt man noch Wert auf gute Beratung und gute Qualität. Auf Familienzusammenhalt – bereits die achte Generation führt das Geschäft – und Treue zum Stammpersonal.
Als die Penzingerin Monika Willig nach Hauptschule und Berufsgrundschuljahr als Lehrling ins Geschäft einstieg, tollte die heutige Chefin Heidi noch als Grundschülerin durch den Laden. 1978 war das, vor 40 Jahren. Alles habe sie gelernt damals, erzählt Willig – Handwerkliches etwa, wie Schuhe aufgebaut sind, wie das Leder gegerbt wird, wie das jeweilige Material sich verhält und wie es die Trageeigenschaften beeinflussen kann. Sie hat ja Glück gehabt, ihr Chef war nicht nur Einzelhandelskaufmann, sondern auch gelernter Schuhmacher.
Aber ihre große Leidenschaft liegt in der Beratung. Die 56-Jährige ist mit Leib und Seele Verkäuferin. liebt den Umgang mit den Kunden, blüht auf, wenn sie aus den Kunden deren Vorstellungen „herauskitzeln“kann. Sie schaut genau auf die Kundenfüße, um dann die entsprechenden Schuhe aus dem Regal zu ziehen. Der Schuh müsse eben ganz individuell genau zu dem entsprechenden Fuß passen. „Sie kann unglaublich gut mit Leuten“, bestätigt auch Heidi Pflanz.
Die Füße würden zu oft vernachSie lässigt, dabei sei der Schuh das wichtigste Bekleidungsstück, sagt Monika Willig. Alle Gesundheit gehe vom Fuß aus. Gerade, wenn man viel stehen müsse, brauche es einen sehr guten und bequemen Schuh. Da würde oft am falschen Ende gespart. Sprachs und zog gleich ein weiches, leichtes Modell aus Merinowolle hervor. Obwohl das Schuhhaus von Kinderschuhen, Hausschuhen bis zu Haferlschuhen wirklich alles anbiete, sei man doch auf „Bequemschuhe“spezialisiert. Und die sehen heute eher wie coole Turnschuhe aus, denn – wie vor Jahrzehnten noch üblich – wie das unauffällige „Ältere-Damen-Modell“in Beige.
Auch könne man durchaus vom Schuh auf den Menschen schließen, so Willig weiter. Gute, gepflegte Schuhe sprechen eben für sich. Nach den spitzen Schuhen der 60erJahre mit ihren Pfennigabsätzen und den Plateauschuhen der 70er lösten sich mit der Turnschuhgeneration der 80er die allgemeinen Moden auf. Heute geht alles, was gefällt. Doch haben es die traditionellen Schuhhäuser immer schwerer, sich gegen die Konkurrenz der billigen Massenmärkte und gegen das Internet durchzusetzen. Die meisten innerstädtischen
Als sie anfing, war die heutige Chefin noch Grundschülerin
Das nächste hohe Dienstjubiläum rückt näher
Betriebe kämpfen derzeit ums Überleben. Im Vorderen Anger haben sich aus den Kindheitstagen des Seniorchefs Heinrich Pflanz nur das Bekleidungsgeschäft Hecht und sein Schuhhaus gehalten.
Wie es in Zukunft weitergehen wird, das weiß Inhaberin Heidi Pflanz noch nicht. Alle Einzelhändler seien verunsichert, „zurzeit ist guter Rat teuer“. Spezialisieren oder nicht? Modernisieren oder nicht? Weiterführen und auf bessere Zeiten hoffen oder nicht? Monika Willig hofft jedenfalls, dass sie noch bis zur Pensionierung bei ihrem Arbeitgeber, dem sie seit 40 Jahren die Treue hält, weiterarbeiten kann.
„Auf die Monika ist immer zu 100 Prozent Verlass“, sagt Heidi Pflanz, „die weiß, wie es bei uns im Haus läuft. Wenn sie da ist, habe ich immer ein gutes Gefühl, auch wenn alle von uns weg sind und sie alleine den Laden schmeißt.“Monika Willig gibt das Kompliment zurück: „Wie eine zweite Familie“sei das Schuhhaus Pflanz für sie.
Beständigkeit ist ein Wert, der in einer komplex bis beliebig gewordenen Welt eine gewisse Geborgenheit vermitteln kann. Das nächste 40. Dienstjubiläum der zweiten Fachkraft des Ladens steht auch schon in zwei Jahren an.