Woran die Stundenplanung krankt
Schulleitungen improvisieren, Eltern klagen – und der Kultusminister will die Qualität der Ersatzstunden verbessern
Augsburg Stundenpläne basteln ist kein Spaß. Da sind zum einen die Schüler, die zwar möglichst ganztags gut betreut und unterrichtet sein sollen, denen aber tunlichst in der achten und neunten Stunde am Nachmittag keine Doppeleinheit Mathematik mehr zugemutet werden darf. Und da sind die Lehrer mit unterschiedlichen Fächerkombinationen und uneinheitlichem Stundenpotenzial, die immer häufiger nur in Teilzeit im Klassenzimmer stehen – und die mitunter auch noch krank werden.
Von der Mühe, Stundenpläne zusammenzustellen und gleichzeitig allen Bedürfnissen gerecht zu werden, kann das Mitglied der Schulleitung einer großen Realschule in der Region, das namentlich nicht genannt werden will, ein Lied singen. Für über 1100 Schüler gibt es an dieser Schule 80 Lehrer – fast die Hälfte davon in Teilzeit. „Da ist die Stundenplangestaltung mitunter schwierig“, stellt der Pädagoge fest. Schon im Normalfall. Ganz knifflig wird es jedoch, wenn Lehrer ausfallen. „Während der Grippewelle im vergangenen Jahr haben uns an manchen Tagen bis zu 25 Lehrer gefehlt“, erinnert sich der Realschullehrer.
Dann heißt es umplanen und improvisieren. 1,6 Prozent der 74 Millionen Schulstunden, die pro Jahr in Bayern gehalten werden, mussten im vergangenen Schuljahr ersatzlos entfallen. An den Realschulen in den Landkreisen Augsburg und Aichach-friedberg liegt der Anteil mit 2,2 Prozent deutlich höher. Laut bayerischem Kultusministerium konnten 4,7 Prozent der übrigen vakanten Stunden mit Vertretungslehrern sinnvoll überbrückt werden. 2,1 Prozent der Stunden wurden durch sogenannte „organisatorische Maßnahmen“abgefangen, was nichts anderes bedeutet, als dass beispielsweise ein Lehrer gleichzeitig zwei Klassen beaufsichtigt, die Kinder also verräumt, aber nicht unterrichtet sind.
Ulrike Stautner aus Augsburg ist stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Elternverbandes. Sie vermutet, dass Kultusministerium und Eltern den tatsächlichen Unterrichtsausfall unterschiedlich ermitteln. An den Grund- und Mittelschulen würden im Notfall auch sogenannte Lehrerassistenten eingesetzt, ältere Schüler, die jüngere beaufsichtigen. „Für die Eltern ist das natürlich Unterrichtsausfall“, stellt sie fest und verweist darauf, dass die vor allem in Übertritts- und Abschlussklassen besonders sensibel auf den Ausfall von Lehrkräften reagierten.
Mit dem Thema Vertretungsstunden will sich Kultusminister Bernd Sibler künftig intensiver befassen – und vor allem deren Qualität steigern. „Ich werde daran arbeiten, den ersatzlos ausgefallenen Unterricht weiter zu verringern“, kündigt er an. „Aber auch die nicht planmäßig gehaltenen Stunden, die an einer Schule mit einem reichen Schulleben wegen Projekttagen, Exkursionen, Fahrten und Ähnlichem vorkommen müssen, nehme ich verstärkt in den Blick.“
1400 Unterrichtsstunden fallen an der eingangs genannten großen Realschule in der Region wöchentlich an – und zehn bis 20 davon ganz aus. „Das sind bei den höheren Klassen zum Beispiel Sportstunden am Nachmittag“, erklärt der für den Stundenplan verantwortliche Lehrer. Wenn jedoch nicht der Sport-, sondern der Mathelehrer erkrankt, dann muss er auf die sogenannte integrierte Lehrerreserve zurückgreifen: Pädagogen, deren Stundenplan gezielt für Vertretungsfälle Lücken aufweist.
Laut Kultusministerium wurde die Zahl der integrierten Lehrerreserve zum Schuljahresbeginn um 50 auf 249 Vollzeitstellen aufgestockt. „Zuerst versuche ich dann, einen solchen Lehrer zu verpflichten, der ohnehin in der Klasse unterrichtet. Funktioniert das nicht, dann schaue ich nach einem Fachlehrer, der den ausfallenden Unterricht weitgehend planmäßig halten kann“, erklärt der Realschullehrer.
Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben des Kultusministers, der bei der Verbesserung des Vertreeltern tungsunterrichtes vor allem auf die zunehmende Digitalisierung im Klassenzimmer setzen will. Im Blick hat er dabei die von seinem Ministerium betriebene digitale Lernplattform mebis (www.mebis.bayern.de). Wenn die Lehrer dort alle ihre Unterrichtspläne und Arbeitsblätter hinterlegten, dann könnte auch bei kurzfristiger Erkrankung ein Kollege darauf zugreifen und zielgerichteten Unterricht halten, der an der richtigen Stelle anknüpfe, meint er.
Dem steht jedoch aktuell noch entgegen, dass nach der Erfahrung des Realschullehrers aus der Region aktuell nicht einmal 50 Prozent der Lehrer diese Lernplattform nutzen. Und, dass offenbar nicht alle Schulen über eine entsprechende digitale Ausstattung verfügen.
Für Notfälle bei der Lehrerversorgung hat das Kultusministerium in diesem Jahr eine Koordinierungsstelle eingerichtet, an die sich betroffene Schulen wenden können. Die kann jedoch nur helfen, wenn eine längerfristige Erkrankung auch als solche bekannt ist. Ganz schwierig werde es, berichtet der Realschullehrer aus der Region, wenn etappenweise immer wieder Krankmeldungen hereinflatterten, die sich schließlich zu einer monatelangen Abwesenheit der betroffenen Lehrkraft aufsummierten.
An den Grund- und Mittelschulen soll in solchen Fällen die mobile Reserve helfen: Lehrer, die als Springer von Schule zu Schule eingreifen, wo andere Pädagogen ausfallen. „Die mobile Reserve ist allerdings meist schon zu Beginn des Schuljahres verplant“, weiß Elternvertreterin Stautner. Wenn dann die erste Grippewelle anrolle, seien keine Reservelehrer mehr verfügbar.