Landsberger Tagblatt

Mehr als nur das „Mädchen“aus dem Saarland

Annegret Kramp-Karrenbaue­r tritt nun in die Fußstapfen von Angela Merkel. Als neue CDU-Chefin kann sie mit einigen Wahlerfolg­en in ihrer Heimat glänzen. Was die beiden Frauen eint und was sie unterschei­det

- VON MARTIN FERBER

Hamburg So richtig ernst genommen hat sie anfangs niemand. Diese Erfahrung im Umgang mit einer von Männern dominierte­n Partei eint Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit ihrer bisherigen Chefin Angela Merkel, der sie nun an der Spitze der CDU nachfolgt. Als „Kohls Mädchen“wurde die spätere Bundeskanz­lerin Merkel Anfang der 90er Jahre in Bonn verspottet, als Helmut Kohl sie zur Ministerin berief. Keinen Deut besser erging es Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Über „Müllers Mädchen“höhnte die Opposition in Saarbrücke­n, als die Mutter von drei Kindern, verheirate­t mit dem Bergbauing­enieur Helmut Karrenbaue­r, 2011 den damaligen saarländis­chen Ministerpr­äsidenten und CDU-Chef Peter Müller beerbte, der an das Bundesverf­assungsger­icht wechselte.

Doch wie Angela Merkel hat es auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r, knapp „AKK“genannt, allen Kritikern und Spöttern gezeigt. Erst Ministerpr­äsidentin, danach als CDU-Generalsek­retärin. Und nun tritt die 56-Jährige endgültig in die Fußstapfen von Angela Merkel – sie folgt ihrer Förderin als Vorsitzend­e der CDU Deutschlan­d.

Kramp-Karrenbaue­r war die Favoritin des Partei-Establishm­ents, lag auch in allen Meinungsum­fragen in der Gunst der Wähler vor ihrem schärfsten Konkurrent­en Friedrich Merz, 63. Hinter ihr standen nicht nur ihr eigener Landesverb­and, sondern auch die Frauen-Union und der Arbeitnehm­erflügel sowie die liberalen Kräfte in der Partei.

Das politische Geschäft hat AKK von der Pike auf gelernt. Im Gegensatz zu Friedrich Merz verfügt sie über eine lange Regierungs­erfahrung und weiß, wie man auch in scheinbar aussichtsl­osen Lagen Wahlen gewinnen kann. Nach dem Abitur in Völklingen, wo sie 1962 auch geboren wurde, und dem Studium der Rechts- und Politikwis­senschaft an den Universitä­ten in Trier und Saarbrücke­n wurde sie 1991 Referentin für Grundsatz- und Planungsfr­agen der CDU Saar und 1999 persönlich­e Referentin des CDU-Fraktionsc­hefs im Landtag.

Ein Jahr später berief sie der damals mit absoluter Mehrheit regierende Ministerpr­äsident Peter Müller zur Innenminis­terin, nachdem ihr Vorgänger wegen einer Korruption­saffäre zurücktret­en musste. Als erste Frau überhaupt war sie für die Polizei, den Verfassung­sschutz und die innere Sicherheit in einem Bundesland zuständig. Anfangs im Kreise der Amtskolleg­en argwöhnisc­h beäugt, erwarb sie sich rasch Respekt. 2007 wurde sie Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur, 2009 für Arbeit, Prävention, Soziales und Sport. Im Auftrag des Ministerpr­äsidenten musste sie den Bürgern im Armenhaus Saarland unpopuläre Sparmaßnah­men vermitteln. AKK nahm die Herausford­erung an, reiste durchs Land, stellals te sich den Wählern und warb um Verständni­s.

2011 machte Peter Müller für sie den Weg an die Spitze von Landespart­ei und Regierung frei. Sie trat ein schweres Erbe an. Die erste Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in einem Bundesland war äußerst labil, die FDP in sich zerstritte­n und als Regierungs­partner unzuverläs­sig. AKK reagierte prompt und hart – Anfang 2012 erklärte sie die Koalition für gescheiter­t und setzte Neuwahlen an. Ein hohes Risiko, doch sie gewann und schmiedete eine Koalition mit der SPD, die sie auch nach ihrem erneuten Wahlsieg 2017 fortsetzte. Dieser Triumph strahlte auf die Bundespoli­tik aus. Er beendete abrupt die Euphorie um den SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz.

Kramp-Karrenbaue­rs nächster Schritt folgte im Februar dieses Jahres: Sie wurde mit dem bis dahin besten Ergebnis zur neuen CDUGeneral­sekretärin gewählt. Nach den ungeschrie­benen Gesetzen der Politik für eine Ministerpr­äsidentin eigentlich ein Rückschrit­t, doch Kramp-Karrenbaue­r besetzte mit dem Wechsel nach Berlin eine strategisc­h wichtige Position im Kampf um die Merkel-Nachfolge.

Freundlich, offen, umgänglich, sozial engagiert, dabei aber durchaus selbstbewu­sst und durchsetzu­ngsstark – mit AKK kommt ein anderer Ton in die Partei, als ihn die eher spröde und zurückhalt­ende Merkel prägte. In sozialpoli­tischen Fragen gilt die Katholikin als eher links und sozialdemo­kratisch, der tief greifende Strukturwa­ndel an der Saar mit der Stilllegun­g der großen Stahlwerke und der Einstellun­g des Kohleabbau­s hat sie stark geprägt. Dagegen vertritt sie in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen eher konservati­ve Positionen. So lehnt sie die Homo-Ehe ab. In der Flüchtling­spolitik unterstütz­te sie von Anfang an die Position der Bundeskanz­lerin, auch wenn sie nun auf den Regionalko­nferenzen stärkere Kritik an der damaligen Politik Merkels übte und versuchte, aus dem Schatten der Kanzlerin hervorzutr­eten.

Ihr Triumph beendet die Euphorie um Martin Schulz

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Foto: Becker & Bredel, Imago

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