Ein Erzbischof auf der Anklagebank
Der Lyoner Oberhirte Philippe Barbarin steht vor Gericht, weil er von den früheren sexuellen Übergriffen eines Priesters gewusst, diese aber nicht angezeigt haben soll
Lyon Ein französischer Erzbischof auf der Anklagebank, noch dazu einer der bekanntesten und einflussreichsten des Landes: Der Prozess gegen den Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, der am Montag in Lyon begann, erschüttert die katholische Kirche Frankreichs. Vorgeworfen wird ihm die Nichtanzeige von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige durch einen Priester. Vor Gericht stehen außerdem fünf seiner früheren Mitarbeiter, von denen zwei ebenfalls inzwischen in Bischofsämter befördert wurden. Ein erstes Verfahren in der Sache war 2016 eingestellt worden.
Dabei geht es vordergründig nicht um die Schuld des heute 72-jährigen Priesters Bernard Preynat, der zwischen 1970 und 1980 dutzende Pfadfinder sexuell missbraucht haben soll, sondern um den Vorwurf der Vertuschung durch Barbarin sowie sein Umfeld. Nicht nur hatte er es unterlassen, Preynat anzuzeigen, obwohl er erwiesenermaßen über dessen frühere Taten informiert worden war – wann genau, gilt es noch zu klären. Auch beließ er ihn auf seinem Posten, auf dem er in Kontakt mit Kindern war. Der 68-jährige Barbarin, der seit 2002 an der Spitze der Erzdiözese Lyon steht, hatte erklärt, ihm habe die Zusicherung von Preynat im Jahr 2011 gereicht, sich seit 1991 nicht mehr an Jungen vergangen zu haben. Auch sagte er, die erwachsenen Opfer hätten ja selbst klagen können.
Der Skandal macht Barbarin, der für seine erzkonservativen Positio- nen beispielsweise zur Homo-Ehe bekannt ist, zur Symbolfigur für das Nichtstun der katholischen Kirche bei Missbrauchsskandalen und den Vorwurf der Scheinheiligkeit. So sagte er 2016 bei einer Pressekonferenz, die meisten Vorfälle seien „Gott sei Dank verjährt“. Eine Petition, in der sein Rücktritt gefordert wurde, erreichte daraufhin mehr als 100 000 Unterschriften.
Seinen Anfang nahm der Skandal im Juli 2014, als sich ein früheres Opfer Preynats an Barbarin wandte und dessen Versetzung forderte. Diese wurde über ein Jahr lang hinausgezögert – bis die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Sie leitete Ermittlungen ein, die das Ausmaß der Taten aufdeckten. Einige der Betroffenen treten nun als Nebenkläger auf. Sie berichten, wie Preynat sie wiederholt bei verschiedenen Gelegenheiten berührt, an sich gedrückt und geküsst habe und ihnen danach stets einflößte, dies müsse „ein Geheimnis“zwischen ihnen bleiben. Barbarin hatte in einem schriftlichen Gebet darum gebeten, dass die Justiz nun ihre Arbeit vollende und dass alle Missbrauchsopfer pädophiler Geistlicher von diesen „ebenso ungerechten wie schrecklichen Taten“geheilt werden. Zum Auftakt des Prozesses am Montag versuchten allerdings seine Anwälte, diesen aufgrund von Verfahrensfehlern zu stoppen. Theoretisch drohen ihm bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldbuße von bis zu 75000 Euro. Der Prozess endet am Mittwoch.