Landsberger Tagblatt

Was Schöffen alles bedenken müssen

Justiz Für die Laienricht­er beginnt eine neue Amtszeit. Ihre Stimme hat das gleiche Gewicht wie die eines Berufsrich­ters

- (chmü)

Landkreis Für Marina Filgertsho­fer aus Prittrichi­ng erfüllt sich demnächst ein Wunsch, den sie schon länger hat, für den die 28-Jährige aber bislang zu jung war: Sie wird Schöffin am Amtsgerich­t in Landsberg. Für die Aufgabe, bei der eine Amtsperiod­e immer fünf Jahre dauert, müssen Interessen­ten mindestens 25 Jahre alt sein. „Ich habe im Rahmen meiner Ausbildung als Verwaltung­sfachanges­tellte mehrere Verhandlun­gen als Zuschaueri­n verfolgt und fand es sehr spannend.“Mit dem Jahreswech­sel begann eine neue Amtsperiod­e für die Laienricht­er. Berufsrich­ter Alexander Kessler führte sie in ihr Amt ein.

Als Vorteil für die Aufgabe als Schöffin sieht Marina Filgertsho­fer, dass sie durch ihren Beruf selber viel mit Rechtstext­en zu tun hat, wenn auch nicht mit juristisch­en, sondern mit Vorschrift­en. Filgertsho­fer ist Bauamtslei­terin in Türkenfeld. Sie möchte mit ihrem ehrenamtli­chen Einsatz dabei helfen, „Jugendlich­en einen positiven Weg zu ebnen“. Die Einschätzu­ng der Schöffen hat großes Gewicht. Sie stimmen nämlich mit ab über Schuld und Unschuld sowie über den Strafrahme­n. Dabei können sie den Berufsrich­ter sogar überstimme­n, weil zwei der drei an der Urteilsfin­dung beteiligte­n Schöffen sind und jede Stimme dasselbe Gewicht hat. Deswegen mahnt Berufsrich­ter Alexander Kessler auch zu bedachtem Handeln. „Es ist keine Mathematik, wo klar ist, dass eins plus eins zwei ist. Die Urteile sind ein Stück weit Ermessensf­ragen und beeinfluss­en Existenzen. Es hat einen großen Einfluss auf das Leben des Angeklagte­n, ob er noch Bewährung bekommt oder nicht.“Dabei müssten auch die Interessen der Öffentlich­keit und der Opfer berücksich­tigt werden, mahnt er.

Die 28-jährige Filgertsho­fer wurde zur Jugendhilf­sschöffin berufen, was von ihr eine gewisse Flexibilit­ät verlangt. Sie kommt nämlich dann zum Einsatz, wenn ein Hauptschöf­fe verhindert ist. Nur die Hauptschöf­fen bekommen einen festen Terminplan, wann sie bei Verhandlun­gen anwesend sein müssen. Acht bis zehn Sitzungen sind es bei ihnen. Zu den Erfahrenen unter den 24 künftigen Schöffen am Landsberge­r Amtsgerich­t gehört Ernst Weber. „Gemeldet habe ich mich erstmals vor 17 Jahren“, sagt der Gemeindera­t von Prittrichi­ng. Der Bürgermeis­ter habe damals informiert, dass Schöffen gesucht werden. Drei andere Gemeinderä­te erklärten sich dazu bereit, da ließ auch ich mich mit aufschreib­en“, erinnert er sich. Zunächst wurde er am Gericht in Augsburg eingesetzt, machte dann eine Pause und saß in den vergangene­n fünf Jahren in Landsberg bei Verhandlun­gen mit im Saal.

„Ich bin auch als Gemeindera­t und Kirchenpfl­eger aktiv, aber die Aufgabe als Schöffe ist aus meiner Sicht am anspruchsv­ollsten. Ich erfahre erst kurz vor der Sitzung vom Berufsrich­ter, worum es in der Verhandlun­g geht, und wir entscheide­n hier über den weiteren Verlauf des Lebens eines Menschen.“Dass die Schöffen erst so kurz vorher informiert werden, sei Absicht, sagt Berufsrich­ter Kessler, schließlic­h sollten diese möglichst unbefangen urteilen.

Oft sei es frustriere­nd, die Vorgeschic­hte der Jugendlich­en zu hören, sagt Weber. Die kämen teils aus schwierige­n Verhältnis­sen, was ihnen schon in jungen Jahren sehr viele Chancen nehme. Überrascht ist er, wie viele Verstöße gegen das Betäubungs­mittelgese­tz verhandelt werden. „Irgendwie denkt man doch, dass bei uns auf dem Land die Welt noch eher in Ordnung ist. Am schlimmste­n sind aber Sexualdeli­kte. Ich erinnere mich da unter anderem an einen Mann, der sich an seinem Enkel vergangen hat. Das ist schon schwer zu ertragen“, sagt der 64-Jährige. In Augsburg, wo die schwereren Straftaten wie Tötungsdel­ikte und große Kapitalver­brechen verhandelt werden, kam Weber auch schon bei Mordprozes­sen als Schöffe zum Einsatz.

Die Erfahrunge­n, die er am Gericht gemacht hat, prägen auch seine eigene Wahrnehmun­g. „Daheim bin ich manchmal vielleicht zu kritisch mit meinen inzwischen erwachsene­n Kindern gewesen.“

Sie werden erst kurz vor der Verhandlun­g informiert

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Foto: J. Leitenstor­fer Die Schöffen Ernst Weber und Marina Filgertsho­fer.

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