Lawinen-Airbag keine Vollkasko-Versicherung
Warum eine Sicherheitsausrüstung die Risikoabwägung nicht ersetzen kann
Nach dem Lawinenunglück in Lech am Arlberg, bei dem drei Variantenfahrer aus Oberschwaben am Samstag ums Leben gekommen waren, haben die Bergretter gestern die Suche nach einem noch vermissten 28-jährigen Mitglied der Gruppe fortgesetzt – bis zum Abend jedoch ohne Erfolg. Heute soll weiter nach dem Vermissten gesucht werden. Aktuell herrsche die zweithöchste Lawinenwarnstufe vier, sagte Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel gestern gegenüber unserer Redaktion. Am Montag sei es dagegen noch nicht zu verantworten gewesen, Retter bei diesen Verhältnissen ins Gelände zu schicken.
Die ums Leben gekommenen Tiefschneefahrer, einer davon ein Vorstandsmitglied der Volksbank Allgäu-Oberschwaben, waren auf der extrem steilen und gesperrten Skiroute „Langer Zug“verunglückt. Nach Angaben der Polizei waren sie mit einer kompletten Sicherheitsausrüstung unterwegs, auch mit Lawinen-Airbags. Dieses System ist in einem Rucksack integriert. Er besteht aus zwei signalfarbenen Polyamid-Ballons, die sich zusammengefaltet an der rechten und linken Seite im Rucksack befinden. Falls ein Schneesportler von einer Lawine erfasst wird, kann er durch Zug an einem Griff an der Vorderseite des Rucksacks das Aufblasen der beiden Airbags auslösen.
Die Ballons sollen bewirken, dass der Wintersportler auf der Oberfläche der Lawine bleibt, also nicht verschüttet wird. Eine Garantie, dass man mit Airbag nicht verschüttet wird, gibt es aber nicht. „Das hängt vor allem vom Gelände ab“, sagt der Oberstdorfer Bergführer Andi Tauser. Wenn ein Lawinenhang flacher ausläuft, kann der Airbag zum Lebensretter werden. Tauser: „Aber wenn ein Schneebrett einen Wintersportler mit Airbag in einen steilen Tobel oder in eine trichterförmige Rinne zieht, dann wird er wohl trotz Airbag durch die Schneemassen verschüttet.“Auch der Burgberger Bergführer Bernd Zehetleitner warnt: Der Airbag sei keine Vollkasko-Versicherung. Der Bergführer und Bergwacht-Einsatzleiter glaubt: Manch einer, der sich ein Airbag-System anschaffe, gerate schnell in Versuchung, ein höheres Risiko einzugehen. Nach Zehetleitners Angaben liegen 40 bis 45 Prozent aller erfassten Wintersportler beim Stillstand einer Lawine an der Oberfläche. Mit einem Airbag seien es zehn bis 15 Prozent mehr. 20 Prozent der von einer Lawine erfassten Wintersportler sterben während des Abgangs. Beispielsweise, weil sie über Felsen gerissen werden.
Zur generellen Sicherheitsausrüstung für Wintersportler abseits gesicherter Pisten gehört das Lawinenverschütteten-Suchgerät („Pieps“genannt), eine Sonde und eine Schaufel. „Man muss diese Ausrüstung aber nicht nur dabei haben, sondern man muss auch damit umgehen können“, sagt Zehetleitner. Das heißt: Wintersportler sollten das regelmäßig üben.