Ertls Amtszeit endet mit einem Paukenschlag
Der FDP-Kreisverband Landsberg wählt seinen Vorsitzenden Christoph Ertl ab. In der Jahreshauptversammlung tun sich tiefe Gräben zwischen den 23 Mitgliedern auf und es gibt Anschuldigungen
Landsberg Irritierte, teils peinlich berührte Mitglieder, ein völlig außer sich geratener Ex-Vorsitzender und eine neue Führungsriege, die sich über den Amtsantritt gar nicht so recht freuen konnte. Das ist die Bilanz der Mitgliederversammlung beim FDP-Kreisverband Landsberg am Donnerstagabend im Landsberger Schafbräu. Birgit Kerckhoff aus Greifenberg heißt die neue Vorsitzende, die mit ihrer Wahl Christoph Ertl ablöst, der das Amt in den vergangenen zwei Jahren innehatte. Mit ihm wurde der gesamte Kreisvorstand ausgetauscht.
„Es hat sich abgezeichnet, dass die Versammlung nicht ganz ruhig ablaufen wird“, sagte die neue Vorsitzende am Tag nach ihrer Wahl gegenüber dem LT. Dass die Situation aber derart eskaliere, damit habe sie nicht gerechnet. Auch der Landsberger Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug nicht, der wörtlich von einer „peinlichen Veranstaltung“sprach.
Was war geschehen? In seinem Rechenschaftsbericht ging Kreisvorsitzender Christoph Ertl darauf ein, dass in den vergangenen zwei Jahren der Schuldenstand des Kreisverbandes von rund 4700 Euro nicht nur abgebaut wurde, sondern auch ein Guthaben aufgebaut werden konnte. Detaillierte Zahlen dazu stellte Schatzmeister Andreas Tillmann vor und resümierte: „Wir haben jetzt eine sehr gesunde Liquidität, das hatten wir noch nie.“Man könne das Jahr 2019 stabil und mit einer sicheren Finanzdecke beginnen. Dem anschließenden Bericht der Kassenprüfung folgte eine Aussprache, bevor sich die zehn stimmberechtigten Mitglieder der Neuwahl ihres Vorstands widmen sollten.
„Es ist ungeheuerlich, wie schlecht wir Kandidaten von Herrn Ertl und dem Vorstand behandelt wurden“, eröffnete Christian Tietgen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck die Debatte. Tietgen war als Listenkandidat zur Landtags- und Bezirkstagswahl angetreten. Insge- samt sei der Umgangston „unter aller Sau“gewesen und man habe nur noch „Stunk gemacht“.
Diese Vorwürfe, die auch Ulla Schäfer, Direktkandidatin für den Landkreis Landsberg, bekräftigte, wies der amtierende Schatzmeister Tillmann entschieden zurück. Persönlich habe er, der als Wahlkampfleiter fungierte, intensive Videotrainings gegeben, Vorstellungsreden erarbeitet und Hilfe geleistet, wo es möglich war.
Im Gegenzug allerdings seien die Kandidaten nicht zu getroffenen Vereinbarungen gestanden und hätten sich mehrfach im Ton vergriffen. Tillmann sprach gar davon, dass an den Kreisverband gerichtete E-Mails mit einem beleidigenden Satz geendet hätten. Daraufhin habe er im September seine Wahlkampfleitung niedergelegt. Ab diesem Zeitpunkt seien die Kandidaten für ihre Wahlkampfarbeit selbst verantwortlich gewesen.
Christoph Ertl äußerte sich zunächst gar nicht zu den Anschuldi- Hermann Gebel, der als neues Mitglied im Kreisverband erstmals an einer Versammlung teilnahm, hielt Ertl vor, ein „QuasiVorsitzender“zu sein. Denn als Vorsitzender hätte er längst in die unsägliche Debatte eingreifen müssen. „Ich bin entsetzt, miterleben zu müssen, was hier gerade geschieht“, sagte Gebel.
Da er selbst nicht Wahlkampfleiter gewesen und damit nicht unmittelbar in die Vorgänge involviert gewesen sei, wolle er sich dazu nicht äußern, entgegnete Ertl. Laut wurde er erst, nachdem im Anschluss an die hitzige und aggressive Debatte das Ergebnis der Vorstandswahl bekannt wurde. Mit 6:4 Stimmen sprachen sich die Mitglieder für einen Neuanfang im Kreisverband aus. Den hatte die 50-jährige Hotelfachfrau Birgit Kerckhoff in ihrer Vorstellung versprochen. Kaum waren die Zahlen ausgesprochen, stand Christoph Ertl auf, legte seinen Mitgliedsausweis auf den Tisch und verließ gemeinsam mit seiner Frau die Versammlung mit den Worten: „Dann bin ich jetzt weg vom Fenster. Ich trete aus der Partei aus.“Beschwichtigungsversuche seiner Vorstandskollegen, zu bleiben und die Vorstandswahlen geordnet zu Ende zu führen, nutzten nichts. „In diesem Moment hat er seine eigenen Verdienste vernichtet“, raunte es durch die Versammlung.
Christoph Ertl ist seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Vertreter der FDP im Landkreis. Der Sohn des einstigen Bundeslandwirtschaftsministers Josef Ertl gehört dem Kreistag seit 28 Jahren an und war auch bereits bis 2004 Kreisvorsitzender der FDP. In dieses Amt wurde er 2016 erneut gewählt.
Ohne Ertl fand die Wahl der weiteren Mitglieder statt: Stellvertretende Vorsitzende und Schriftführegungen. rin ist Ulla Schäfer aus Landsberg, neuer Schatzmeister Artur Riedmann aus Riederau. Neue Beisitzern sind Martin Vesterling aus Utting und Hermann Gebel aus Dießen.
Der neue Kreisvorstand tat sich schwer, seinen Erfolg zu genießen. Nicht nur die heftigen Streitereien, sondern auch die Frage Tillmanns an die neue Vorsitzende, wo sie die Kompetenz hernehmen wolle, einen Kreisverband zu führen, hinterließen einen faden Beigeschmack.
Da half es auch nicht viel, dass Birgit Kerckhoff in ihrem Schlusswort darauf hinwies, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem im Bundestag 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert würden, der FDPKreisverband in Landsberg von einer Frau in die Zukunft geführt werde.
Für diese Zukunft wünsche sie sich, dass wieder Ruhe in den 23 Mitglieder zählenden Verband einkehre und die Zusammenarbeit mit den Nachbarverbänden positiv und zielführend gestaltet werden könne.
Die Wahl erfolgt mit 6:4 Stimmen