Die Frage der Woche In der Schnupfenzeit Handschlag verweigern?
An der Praxistür meines Arztes steht: „Wir verzichten darauf, Ihnen die Hand zu geben. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern mit Rücksicht auf unsere Patienten, die wir anstecken könnten.“Ach, wenn ich nur überall eine so einsichtige Begründung für eine scheinbar schroffe NichtAchtung finden würde! Die meisten Mitmenschen murmeln irgendetwas Unverständliches in ihren dick herumgeschlungenen Schal hinein, wenn sie erkältet sind und keine Hand geben wollen. Gerade als wär’s ihnen peinlich.
Doch von alters her ist es ein schönes Zeichen von Freundlichkeit und Respekt, sich die Hände zu reichen. Schau her, ich begegne dir offen und ungeschützt, ohne Hinterlist und Feindseligkeit, will der Handschlag ausdrücken. Wer dem anderen die Hand gibt, nimmt direkten Kontakt auf. Kein flüchtiges „Hi“oder joviales Abklatschen kann die intensive Geste ersetzen.
Es sollte also ein triftiger Grund vorliegen, warum ich meinem Gegenüber den Handschlag nicht gebe. In der Erkältungszeit liegt ein solcher allemal vor. Dann ist der ganze Mensch ein einziger Krankheitserreger. Jeder Griff zum Taschentuch benetzt die Finger aufs Neue mit den Bazillen. Und wer läuft schon ständig mit der Desinfektionsflasche herum? Sollte ich den lieben Mitmenschen meine fiebrige Hitze oder meine geschwollene Schnupfennase anhängen? Besser nicht. Zumal manche Malaise unsichtbar für andere im Körper lauert, aber trotzdem gern heimtückisch auf (noch) Gesunde bei der kleinsten Berührung überspringt.
Die Grenze zur Unhöflichkeit markiert jedoch die Erklärung, womit ich den ausbleibenden Handschlag begründe. Es tut mir doch leid, dass ich die gewohnte Geste in dem infektiösen Zustand besser nicht praktiziere. Dann bedauere ich das auch.
Es gibt immer gute und nachvollziehbare Gründe, eine ausgestreckte Hand abzuweisen. Wie es überhaupt für jedes unfreundliche Benehmen immer irgendwelche nachvollziehbaren Gründe gibt. Drängeln, „Ich hatte es eben sehr eilig“, Dazwischenquatschen, „Der hätte sonst doch nie mehr aufgehört zu reden“und so weiter und so weiter… Im Falle des Händeschüttelns gibt es sogar den allerbesten Grund: die Gesundheit! Hände nämlich, auch die gepflegtesten, sind fiese Keimschleudern. Etwa 80 Prozent der Infektionskrankheiten werden über die Hände weitergereicht. Absolut verständlich daher, dass in Krankenhäusern und Arztpraxen häufig aufs Händeschütteln verzichtet wird. Sogar Krätzemilben kann man sich einfangen. Wer will das? Eben!
Das alles kann man dem Bekannten, der einem in der Stadt freudestrahlend mit ausgestreckter Hand entgegenkommt, natürlich erklären. Und er wird es ziemlich sicher auch verstehen. „Schon klar, hast ja recht, verstehe schon, vor allem jetzt zur Grippezeit, und womöglich habe ich ja auch Krätzemilben, man weiß ja nie …“Was aber nichts daran ändert: Es bleibt der unschöne Moment, in dem eine offene Hand in der Leere schwebt. Sich nicht angenommen fühlt. Der Moment, in dem das handausstreckende Gegenüber sich also ziemlich dämlich vorkommen muss. Will man das? Ist das die ganze Sache wert? Lieber den anderen doof dastehen lassen als das Risiko eingehen, sich vielleicht eine Erkältung einzufangen? Dies ist das Contra, deswegen ein klares Nein. Auch wenn einem wirklich nicht danach ist, lieber schütteln, dann bei nächster Gelegenheit waschen oder vielleicht sogar mit Handgel reinigen. Und dafür lieber höflich sein. Lieber nett sein. Den anderen nicht verschnupft zurücklassen.