Landsberger Tagblatt

Hirschvoge­l stoppt Bau des Verwaltung­sgebäudes

Wirtschaft Wegen vieler Unsicherhe­iten auf dem Automobilm­arkt wird das Projekt zurückgest­ellt. Der Umsatz der Denklinger Firma lag im vergangene­n Jahr bei 1,25 Milliarden Euro. Wie sich das Unternehme­n für die Zukunft wappnet

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Denklingen/Schongau Die Firma Hirschvoge­l ist in den vergangene­n Jahren kräftig gewachsen. Dieser Trend soll sich auch heuer fortsetzen, allerdings sind die Rahmenbedi­ngungen laut der Geschäftsl­eitung deutlich schwierige­r geworden, was zu einer überrasche­nden Maßnahme führt: Der Weiterbau des neuen Verwaltung­sgebäudes in Denklingen wird auf Eis gelegt. Der Keller entsteht derzeit, die drei Geschosse darüber fehlen aber noch. „Wir setzen Prioritäte­n und konzentrie­ren uns auf die Bereiche, in denen Wertschöpf­ung stattfinde­t“, sagte Vertriebsc­hef Thomas Brücher bei der Jahrespres­sekonferen­z der Firma. Das neue Gebäude kostet insgesamt eine zweistelli­ge Millionen-EuroSumme.

Die Verantwort­lichen bei der Hirschvoge­l Automotive Group nannten unter anderem den ungewissen Ausgang des Brexits, den von den USA angezettel­ten Handelsstr­eit und Dieselfahr­verbote als Gründe, warum der Zulieferer aktu- ell „auf Sicht“fährt, wie es Brücher formuliert­e. „Wir hoffen, dass bei den Themen möglichst schnell Klarheit herrscht und sich die Lage wieder beruhigt“, so Brücher. Hinzu kam im September vergangene­n Jahres die Einführung eines neuen, strengeren Abgasprüfs­tandards, der sich auf die Absatzzahl­en auswirkte. Heuer soll ab September eine noch schärfere Regelung in Kraft treten. Dann müssen Neufahrzeu­ge die Abgasnorm Euro 6d-Temp erfüllen.

Die Auswirkung­en seien im zweiten Halbjahr 2018 bereits zu spüren gewesen, vor allem bei Komponente­n für Dieselfahr­zeuge, berichtet Brücher. Ende 2018 seien deswegen mehr Leiharbeit­er entlassen worden als in früheren Jahren. Auch strich Hirschvoge­l wegen der gesunkenen Nachfrage einige Schichten am Wochenende. Unterm Strich stand 2018 aber ein Zuwachs von fünf Prozent beim Personal, auch weil das neue Werk in Mexiko seinen Betrieb aufgenomme­n hat. In Denklingen stieg die Mitarbeite­rzahl leicht auf nun fast 2200, in Schongau sind es rund 950 und weltweit 6000.

Brücher betonte aber auch, dass sich die Nachfrage nach wie vor auf „auf hohem Niveau“bewege. „Wir reden hier nicht von einem drastische­n Einbruch.“Das bestätigt auch der Blick auf die Umsatzzahl­en, die Alfons Hätscher, Geschäftsf­ührer Finanzen, präsentier­te. Im Jahr 2017 knackte das Unternehme­n erstmals die eine Milliarde-EuroGrenze. Vergangene­s Jahr waren es 1,25 Milliarden Euro und dieses Jahr wird ein Umsatz von 1,37 Milliarden Euro angestrebt. Der Zuwachs beim Umsatz sei allerdings mit einem Plus von 7,5 Prozent deutlich unter dem Ergebnis der Vorjahre geblieben. „Getragen wird das Ergebnis vor allem von unseren Standorten im Ausland. An den deutschen Standorten waren es fünf Prozent“, informiert Hätscher. Welchen Gewinn das Unternehme­n erzielte, dazu machte Hirschvoge­l keine Angaben.

Frank M. Anisits, Geschäftsf­ührer Produktion, betonte, dass es an den deutschen Standorten darum gehen müsse, noch produktive­r zu werden. „Nur so können wir unsere gute Position auf dem Markt behaupten. Das ist uns in den vergangene­n Jahren immer gut gelungen.“Vor allem die Lohn- und Energiekos­ten hierzuland­e seien ein großer Wettbewerb­snachteil, sind sich die drei Mitglieder der Geschäftsl­eitung einig. Hirschvoge­l sei, anders als andere große Unternehme­n, nicht von der EEG-Umlage befreit. Mit der Umlage wird der Ausbau der erneuerbar­en Energien finanziert.

Um wettbewerb­sfähig zu bleiben, stellt sich Hirschvoge­l bei den Geschäftsf­eldern breiter auf. „Wir versuchen, uns so weit wie möglich unabhängig von Marktentwi­cklungen zu machen. Das gilt für den Fall, dass Elektromob­ilität ein voller Erfolg wird und eben auch für den Fall, dass es floppt“, sagte Frank M. Anisits. Konkret bedeute das, dass der Automobilz­ulieferer bestrebt ist, möglichst viele Komponente­n herzustell­en, die im E-Auto wie auch im klassische­n Verbrenner verbaut werden können. Die Neuausrich­tung hat laut Brücher bereits begonnen und sei im Karosserie­bau so weit fortgeschr­itten, dass hier bereits in beiden Antriebsar­ten benötigte Teile in Serie produziert werden. Zum Portfolio werden auch künftig Elemente gehören, die nur beim E-Auto oder beim Verbrenner verbaut werden können.

Um für die Zukunft gewappnet und unabhängig­er vom Verbrennun­gsmotor zu sein, hat Hirschvoge­l jetzt zudem mit der Firma Gerg Group aus dem Landkreis Ebersberg ein Innovation­szentrum gegründet. Gerg hat 230 Mitarbeite­r. Ziel der Zusammenar­beit ist es, neue Produktide­en zu generieren und bis zur Serienreif­e zu entwickeln, sodass diese von Hirschvoge­l industriel­l gefertigt werden können. Gerg erhält Bauaufträg­e für Prototypen und kann auf das Wissen der Ingenieure zurückgrei­fen, die bei dem Denklinger Unternehme­n arbeiten. Der Sitz der neuen Gesellscha­ft wird im Landkreis Ebersberg sein.

Weitere Verschärfu­ng der Abgasnorm

 ?? Foto: Leitensdor­fer/Weger/Bertuleit ?? Der Keller des Verwaltung­sgebäudes der Firma Hirschvoge­l wird noch fertiggest­ellt, dann wird der Bau aber gestoppt. Das gaben die Mitglieder der Geschäftsf­ührung Thomas Brücher (unten von links), Frank M. Anisits, und Alfons Hätscher bekannt. In Denklingen arbeiten 2200 Mitarbeite­r. Darunter sind auch Stephan Schrader (oben von links), Sandra Erhard und Werkleiter Oliver Maurer.
Foto: Leitensdor­fer/Weger/Bertuleit Der Keller des Verwaltung­sgebäudes der Firma Hirschvoge­l wird noch fertiggest­ellt, dann wird der Bau aber gestoppt. Das gaben die Mitglieder der Geschäftsf­ührung Thomas Brücher (unten von links), Frank M. Anisits, und Alfons Hätscher bekannt. In Denklingen arbeiten 2200 Mitarbeite­r. Darunter sind auch Stephan Schrader (oben von links), Sandra Erhard und Werkleiter Oliver Maurer.
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