Der linke Saarländer
Vor 20 Jahren erschütterte Oskar Lafontaine mit dem Rücktritt von allen Ämtern die SPD. Mit seiner vierten Frau verfolgt er weiter konsequent linke Politik
Es war vor 20 Jahren, ganz genau am 11. März 1999. Die rot-grüne Regierung ist noch kein halbes Jahr im Amt. Da platzt die Bombe: Oskar Lafontaine, zweitmächtigster Mann hinter Kanzler Gerhard Schröder (SPD), schmeißt hin. Er tritt als Finanzminister zurück, gibt den SPDVorsitz ab und verzichtet auf sein Bundestagsmandat. Kein Abschied von der politischen Bühne, wie sich bald herausstellen wird, aber die radikale Abkehr von der Politik Gerhard Schröders, mit dem es bis heute keine Aussprache gegeben hat.
Oskar Lafontaine löst ein Beben aus, von dem sich die SPD nie richtig erholt hat. Aber für ihn ist der Schritt heute noch konsequent: „Wer für soziale Gerechtigkeit, die Erhaltung des Friedens und der Umwelt eintritt, kann nicht plötzlich aufhören, sich für diese Ziele einzusetzen“, sagt der Saarländer. Damals habe er nicht anders gekonnt. Der Streit mit Schröder entzündet sich am Einsatz von NatoTruppen in Jugoslawien und an der Sozial- und Wirtschaftspolitik der noch jungen Koalition. Für Lafontaine steht sie im krassen Gegensatz zu dem, womit die SPD 1998 die Ära Kohl beendet hat.
Im Rückblick sagt der heute 75-Jährige: „Es war eine längerfristig sich anbahnende Entscheidung, die ich dann getroffen habe, als der Bundeskanzler in der Bild-Zeitung verlauten ließ, er könne meine, an der Schaffung von Arbeitsplätzen und an einer gerechteren Verteilung orientierte Wirtschaftspolitik, nicht mehr mittragen.“Für Lafontaine, der zuvor Oberbürgermeister von Saarbrücken und dann Ministerpräsident seines Heimatlandes gewesen ist, ist es die belastendste Entscheidung in seinem langen politischen Leben, wie er selbst sagt. Dabei hält er der SPD noch bis 2005 grollend die Treue. Aber spätestens mit den Schröder’schen Hartz-Reformen ist Schluss damit. Er wechselt zur „Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit“(WASG), in der sich Unzufriedene aus dem linken SPD-Lager neu organisiert haben. Die neue Gruppierung fusioniert zwei Jahre später mit der SED-Nachfolgepartei PDS zur „Die Linke“und Lafontaine wird deren erster Parteivorsitzender. Aus der Bundespolitik zieht sich der studierte Physiker 2009 aus gesundheitlichen Gründen zwar zurück, aber im heimischen Saarland ist er bis heute Vorsitzender der Landtagsfraktion der Linken im Landtag.
„Oskar“, wie ihn viele im Saarland nennen, lebt heute im Städtchen Merzig nahe der deutsch-französischen Grenze. Er ist in vierter Ehe mit der Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, 49, verheiratet. Gemeinsam versuchen sie unermüdlich, eine linke Politik voranzutreiben. Dafür steht auch die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“, die sie vor gut einem halben Jahr gegründet haben. „Eine soziale Mehrheit im Deutschen Bundestag“ist nach wie vor sein Ziel, eine Annäherung von SPD und Linke aber noch in weiter Ferne.