Warum sich Ehepaare glücklicher fühlen
Psychologie Für viele Deutsche galt die Ehe einst lange Zeit als Anleitung zum Unglücklichsein. Heute werden romantische Sehnsüchte eher wahr, wie selbst nüchterne Daten zeigen. Das hat bei Männern und Frauen unterschiedliche Ursachen
Als Wolfgang Krüger mit 69 Jahren zum Traualter schritt, wunderte er sich über harsche Reaktionen mancher Freunde. „Einige haben mich fast als Verräter gesehen“, erinnert er sich. Heiraten – das stand in seiner Berliner Generation für Gefängnis, gar als Gefahr für die Liebe. Krüger ist Psychologe und Buchautor. Die völlig unterschiedlichen Reaktionen auf seine Hochzeit ließen ihm keine Ruhe. Er wollte herausfinden, ob verheiratete Paare glücklicher sind als Partner ohne Trauschein. Inzwischen hat er eine Theorie: Die Ehe mache die Bundesbürger heute glücklicher als früher. Ist da was dran?
Lisa Fischbach kann jede Menge Statistiken zum Thema wälzen. Die Hamburger Psychologin analysiert repräsentative Umfragen, die die Online-Partnervermittlung ElitePartner in Auftrag gegeben hat. Die jüngste stammt vom Herbst 2018. Rund 9000 deutsche Erwachsene, die keine Mitglieder des Vermittlungsdienstes waren, gaben online Auskunft über die Zufriedenheit mit ihrer Partnerschaft. Im Ergebnis war eine stattliche Mehrheit von rund 83 Prozent sehr oder gut zufrieden, ob nun als Ehepaar oder ohne Trauschein.
„Beziehungsqualität kommt heute viel mehr von innen, nicht bloß durch ein Papier“, sagt Fischbach. Und doch sei etwas dran am gefühlten Quäntchen mehr Glück durchs Heiraten. „Ehen sind heute freiwilliger gewählt und werden bewusster geschlossen als noch vor ein oder zwei Generationen“, sagt sie. Meist gebe es auch keine großen Unterschiede mehr beim Alter oder in Sachen Bildung und Sicht auf die Welt. Das entschärfe Konfliktpotenzial. Partner hätten vor dem Jawort oft schon mehrere Jahre zusammengelebt und seien älter als früher. „Eine Ehe ist heute kein gesellschaftlicher Zwang mehr“, sagt die Psychologin. „Es ist ein Zeichen für Verbindlichkeit, das die Liebe stärken soll.“
Das Statistische Bundesamt hat auch gerechnet. Seit 2007 treten wieder mehr Paare vor den Traualtar, nach den jüngsten Zahlen für 2017 rund 407 000. Männer waren bei der Hochzeit im Durchschnitt 34, Frauen 31 Jahre alt. Anfang der siebziger Jahre waren beide Partner jeweils zehn Jahre jünger. Auffällig ist, dass die durchschnittliche Dauer von Ehen in Deutschland beständig wächst – von elf Jahren zu Beginn der neunziger Jahre auf mittlerweile fünfzehn Jahre. So wurden im Jahr 2017 zwar rund 153 500 Paare geschieden, aber das war der niedrigste Wert seit 25 Jahren. „Das ist eine beeindruckende Entwicklung“, urteilt der Psychologe und Buchautor Krüger. Viele Experten seien verwirrt und fragten sich, ob das an einem neuen Sicherheitsdenken in gefühlten Krisenzeiten liege. Krüger sieht es anders: „Ich glaube, dass in den letzten zehn Jahren die Ehen besser geworden sind. Glücklicher.“
Krüger nennt die Beziehungen zudem demokratischer als früher. Auch wenn Haushalt und Kindererziehung weiterhin eher auf den Schultern der Frauen lasteten, werde zwischen den Partnern mehr ausgehandelt. „Ich war vor meiner Hochzeit selbst skeptisch, weil ich die Ehe meiner Eltern vor Augen hatte“, sagt Krüger. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren seien viele Ehen geprägt gewesen von gesellschaftlichen Zwängen, Versorgungsgedanken und oft auch von einem Machtgefälle.
Heute sieht sich Krüger dabei auch durch eine von ihm selbst durchgeführte Umfrage unter 150 Partnern mit und ohne Trauschein bestätigt. „Eine Ehe bringt noch einmal eine andere Intensität in die Beziehung“, fasst er zusammen. Es sei etwas anderes zu sagen „meine Frau“als „meine Freundin“.
Ein Kennzeichen von heutigen Ehen sei auch eine größere Bereitschaft zur Konfliktlösung. „Je leichter es fällt, sich zu trennen, desto eher nehmen wir diese Option auch wahr.“Wer heirate, mache im Streitfall oft lieber eine Paartherapie als sofort zu gehen. Wie viele Paare ohne Trauschein sich trennen, kann statistisch – anders als Scheidungen – nicht erfasst werden.
Auch Forscherin Fischbach sieht in einer Ehe eine – wie sie es nennt – höhere Ebene von Verbindlichkeit. Meist entstehe ein Ruhegefühl, eine Art Plateau, da die Rechte für Ehepartner gesetzlich geregelt seien. Auch Finanzen würden anders geregelt. Paare ohne Trauschein müssten die Regeln immer wieder einzeln aushandeln – von der Sorge für gemeinsame Kinder bis hin zum Besuchsrecht auf der Intensivstation. Zwar spiele in einer Ehe noch immer das romantische Ideal mit der hübschen Abkürzung „Amefi“hinein: Alles mit einem für immer. Heute dürften Ehen aber auch ohne gesellschaftliches Stigma scheitern, betont Fischbach. Das nehme ihnen bisweilen den früheren Druck.
In der Realität hätten die Deutschen laut Umfragen im Schnitt 3,4 Partnerschaften im Leben. Fast jede dritte Ehe wird geschieden. „Heute verharrt kaum noch jemand lange in einer Partnerschaft, die unglücklich ist“, sagt Psychologin Fischbach. Auch ältere Frauen zögen – anders als früher – Konsequenzen. Beziehungszufriedenheit, ob nun mit oder ohne Standesamt, gehe mit sexueller Zufriedenheit als wichtigem Einflussfaktor einher, berichtet die Psychologin. Einer der größten Be-
Männer fühlen sich leichter glücklich in Beziehungen
ziehungskiller bleibe der Seitensprung. Viele Paare scheiterten an Untreue und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust.
Auffallend bleibt die unterschiedliche Beziehungszufriedenheit bei Männern und Frauen. Die Herren der Schöpfung fühlen sich nach Umfragen durchweg einige Prozentpunkte glücklicher, vor allem Ehemänner. Paartherapeutin Fischbach wundert das nicht. „Männer profitieren mehr von Paarbeziehungen, bis hin zur körperlichen Gesundheit“, sagt sie. Vor allem verheiratete Männer mit Kindern fühlten sich stärker zugehörig zu ihrer Familie und sähen in ihrer Partnerin meist die engste Vertraute. „Männer sind einfacher zufriedenzustellen“, findet Psychologe Krüger: „Gutes Essen, Sex und Anerkennung – wenn sie davon genug bekommen, ist die Welt für viele schon in Ordnung.“
Je älter Männer würden, desto lieber heirateten sie. Frauen wollten in der Regel sehr viel mehr. „Tief gehende Gespräche, verstanden werden und Lösungen für Konflikte.“Dass sich diese Erwartungen nicht immer erfüllten, habe Konsequenzen: Ab Mitte 40 legten Frauen weniger Wert auf eine Ehe.