Betrifft: Mitmachen
Passivität hat ein verheerendes Image. In einer Gesellschaft, die Aktivität und Aktion fordert und fördert, ist für das Nichttun kein Platz. Passiv = positiv? Außer dem Passivhaus und vielleicht einer passiven Fahrweise fällt einem da beim besten Willen gar nichts Passables ein. Gegen die Attraktivität der Aktivität ist nicht anzukommen.
Eine Spielart des Aktivseins ist das Mitmachen. Mitmachen statt nur passiv aufzunehmen – das umgibt uns inzwischen wie ein Naturgesetz. Freizeit und Kultur müssen Spaß machen. Und was macht Spaß? Mitmachen. Und so kommt heute keine Ausstellung, kein Museum mehr aus ohne Mitmachstation, ohne Mitmachangebote, Mitmachinseln. Das Publikum wird animiert und aktiviert. Gesucht: Aktivposten.
Zwar richten sich die meisten Aktivitäten in dieser Hinsicht auf Kinder und Familien, die die Qual der Wahl haben zwischen Mitmachmuseen und Mitmachwerkstätten. Doch ist die Animation zur Aktivität (Ausprobieren!), ja das Einfordern von Mitmachfreude längst keine Kinderbespaßungsnische mehr. Mitmachen ist im Theater genauso erwünscht wie im Zirkus. Mitmachstücke, Mitmachmöglichkeiten, Mitmachspektakel, ja auch Mitmachkonzerte und Mitmachkino lauern.
Aktionismus ist eine Allzweckwaffe. Wer lieber auf Distanz bleibt und sich – in Ruhe studierend, betrachtend und zuhörend – passiv verhält statt sich einzubringen, hat keinen leichten Stand. Mitmacher und Aktive hier, Miesmacher und sich berieseln Lassende dort: es geht ein Riss durch die Gesellschaft. Inzwischen nennen sich auch Parteien gerne Mitmachparteien. Was also tun im Angesicht all der Aktionstage und Interaktionsangebote? Vielleicht: Mitmachen, ohne alles mit sich machen zu lassen. Und sich freuen an subversiven Passivaktionen wie dem Mittagsschlaf.