Von einem Haus bleiben nur Trümmer
Ein Gebäude im Ostallgäu explodiert. Während des Unglücks befinden sich drei Menschen darin. Die Helfer können die Mutter bergen, Vater und Tochter werden noch vermisst
Rettenbach am Auerberg Den Rettungskräften im Ostallgäu bot sich am Sonntagvormittag ein Bild des Schreckens: Gegen 10 Uhr ist ein Wohnhaus in Rettenbach am Auerberg aus bislang unbekannter Ursache explodiert. Zum Zeitpunkt des Unglücks befanden sich drei der sechs Bewohner in dem dreistöckigen Gebäude – darunter auch ein Kind. Am Mittag konnten die Rettungskräfte eine Frau aus den Trümmern bergen. Doch zwei weitere Familienmitglieder sind noch vermisst.
Die Anspannung in der 900-Einwohner-Gemeinde ist beinahe greifbar. Wo zuvor ein Wohnhaus stand, liegt nur noch Schutt. Ein Bagger räumt Ziegel- und Holzreste von der Straße. Das Dach des Gebäudes ist auf das Erdgeschoss gestürzt, von den Stockwerken dazwischen ist nichts mehr zu sehen. Etwa 350 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst, Technischem Hilfswerk, Polizei und Bergwacht sind vor Ort und suchen mit schwerem Gerät nach den Vermissten.
Sechs Menschen lebten nach Angaben der Polizei in dem Haus: eine fünfköpfige Familie und eine alleinstehende Frau. Diese ist zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vor Ort, ebenso wie zwei Söhne der Familie. Die Buben sind draußen auf einem Spielplatz. Mutter, Vater und Tochter dagegen halten sich während der Explosion im Haus auf.
Gegen Mittag gelingt es den Helfern, die 39-jährige Mutter mit schwersten Verletzungen aus den Trümmern zu ziehen. Sie hatte mit Geräuschen auf sich aufmerksam gemacht. Die Rettungskräfte suchen unterdessen mit Hochdruck nach ihrem Mann, 42, und der siebenjährigen Tochter. „Wir haben unter anderem einen Autokran und Radlader, auch Rettungshunde und vier Hubschrauber sind im Einsatz“, sagt der Füssener Polizeichef Edmund Martin. Die Helfer müssen erst das Dach wegräumen, um dann Schicht für Schicht abzutragen.
Über mögliche Ursachen könne man „nur spekulieren“, sagt Martin. Immer wieder fällt bei den Feuerwehrkräften aber das Wort „Gasexplosion“. Ein nebenstehendes Gebäude wird bei der Detonation schwer beschädigt, ein anderes leicht. 15 Anwohner müssen ihre Häuser verlassen. Kriseninterventionsteams kümmern sich um sichtlich mitgenommene und geschockte Nachbarn. Mehrere Personen sind leicht verletzt worden.
In Rettenbach herrscht große Betroffenheit. Kaum einer kann glauben, welch eine Tragödie sich an diesem eigentlich friedlichen Sonntag ereignet hat. Auch für die Rettungskräfte ist das eine schwierige und ungewohnte Situation. Ein erfahrener Helfer spricht von einer „Sonderlage“, einen vergleichbaren Einsatz habe er noch nie erlebt. Martin Frei, Redakteur unserer Zeitung und als Feuerwehrmann vor Ort, ist schockiert: „Wenn an einem sonnigen Sonntagvormittag die Sirene heult, dann hat man als Feuerwehrmann einen Gedanken: Verkehrsunfall, wahrscheinlich mit Motorrad.“Doch diese Alarmierung ist selbst für die erfahrensten Kameraden neu. Frei und seine Kollegen kümmern sich darum, dass nur die zu dem eingestürzten Haus kommen, die dort auch gebraucht werden. Schnell versammeln sich einige Schaulustige und Gaffer. Doch es kommen vor allem Dorfbewohner an die Absperrung – kopfschüttelnd, mit sorgenvollem Blick, fassungslos. Viele kennen die Bewohner des Hauses. Sie berichteten, wie sie das Unglück, den donnernden Explosionsknall erlebt haben. Ein Nachbarsbub dreht mit seinem Fahrrad immer wieder eine Runde an der Absperrung. Ein Freund von ihm könnte unter den Trümmern liegen, erzählt er.
Die Schilderungen der Einsatzkräfte, die an vorderster Front aktiv waren und die von Feuerwehrmann Martin Frei und seinen Kollegen abgelöst werden, lassen nur noch Tote in den Trümmern vermuten: „Das lässt auch einen altgedienten Feuerwehrmann nicht kalt“, sagt Frei.
Die Retter richten sich darauf ein, die ganze Nacht nach dem Vater und seiner Tochter zu suchen. Die Unglücksstelle wird mit Scheinwerfern ausgeleuchtet. Spürhunde sind im Einsatz sowie Spezialisten mit einer Kamerasonde. Ein Hubschrauber kreist über dem zerstörten Wohnhaus – in der Hoffnung, ein Handy zu orten. Bis zum späten Sonntagabend blieben die Bemühungen ohne Erfolg.
Es ist ein Schock auch für erfahrene Einsatzkräfte