Tödliche Gefahr für Kitze
Natur Gerade jetzt sind die Landwirte mit ihren Mähgeräten im Dauereinsatz. Allerdings liegen im Gras auch oft Rehkitze. Immer wieder kommt es zu tödlichen Fällen auf den Feldern. Was Experten dazu sagen und wo Hilfe wartet
Die Landwirte sind mit ihren Mähgeräten wieder im Dauereinsatz. Allerdings liegen im Gras oft Rehkitze und werden dabei getötet – wie jetzt bei Eresing.
Landsberg Nur kurz währte am Wochenende das milde und sonnige Frühlingswetter. Entsprechend viel war schon in den Tagen davor auf den Wiesen los, als viele Bauern zum ersten Mal mähten. Manche Wildtiere überlebten das erste große Mähen nicht: Im Gemeindebereich Eresing kamen, wie dem LT berichtet wurde, innerhalb eines Tages gleich vier Rehkitze ums Leben.
Getötete oder verstümmelte Rehe, aber auch junge Hasen und Vögel gehören jedes Jahr zum Wonnemonat Mai. Denn kurz vor oder während der ersten Futterernte setzen die Rehgeißen ihre Jungen – sehr häufig im hohen Gras der Wiesen. In den ersten Lebenswochen besitzen die Jungtiere noch keinen Fluchtinstinkt. Bei Gefahr ducken sie sich wie leblos in ihr Versteck. Was sie sonst in der Natur vor Feinden schützt, wird ihnen zum Verhängnis, wenn große und schnell arbeitende landwirtschaftliche Maschinen über die Wiesen fahren.
Wie kommt es dazu? Liegt es an mangelnder Sorgfalt, Zeit- und Kostendruck? Oder sind solche Mähunfälle auch bei allen Bemühungen, sie zu verhindern, nie gänzlich zu vermeiden? Georg Duschl, der Kreisvorsitzende des Jagdschutzund Jägervereins, formuliert es so: „Die Bauern sind vorsichtig, aber ganz ohne Verluste geht es nicht.“
Dass junge Rehe unters Mähmesser kommen, könne auf vielfältige Weise vermieden werden: Gehen Jäger oder Bauern vor dem Mähen die Wiesen ab, können sie die Jungtiere aufspüren und in Sicherheit bringen. Gute Erfahrungen hat Georg Duschl auch mit Kitzrettern gemacht. Das sind blau blinkende und piepsende Lampen, die vor dem Mähen in die Wiesen gestellt werden. Das beunruhige die Rehgeiß in der Regel so sehr, dass sie sich mit ihrem Nachwuchs in Sicherheit bringt und das Wiesenversteck verlässt, erklärt Duschl. Er habe damit in einem 600 Hektar großen Revier in Ludenhausen gute Erfahrungen gemacht. „Da wurde mir seit Jahren nichts mehr von vermähten Kitzen berichtet.“Mit einem Stückpreis von 85 Euro sei das noch eine verhältnismäßig kostengünstige Maßnahme. Mit einer solchen Blinklampe könnten zwei bis drei Hektar Fläche abgedeckt werden.
Immer häufiger werden auch Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt, um Jungwild in den Wiesen zu finden. Eine solche Drohne hat auch Dr. Martin Israel aus Hausen entwickelt (LT berichtete). Der frühere Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gründet gerade eine Firma, die solche Drohnen herstellt. Prototypen könne er bereits verkaufen, berichtet Israel. Die Nachfrage sei enorm, seine Zielgruppe seien Jäger, aber auch Dienstleister, die den Drohneneinsatz anbieten. „Drohnen werden bald Stand der Technik sein“, sagt der Wissenschaftler.
Auch der Jagdschutz- und Jägerverein habe sich im vergangenen Jahr ein solches Gerät gekauft. Kostenpunkt: 5000 Euro aufwärts. Ein effektives Hilfsmittel, allerdings: Mit einem Gerät komme man im Landkreis nicht weit. „Wir können nicht alles abdecken, wenn alle gleichzeitig mähen“, sagt Georg Duschl. Zumal die Wärmebildkamera nur in den Morgenstunden funktioniere. Zu späterer Stunde sei an sonnigen Tagen der Temperaturunterschied von Wiese und Wild nicht mehr feststellbar, und damit seien die Tiere nicht mehr für die Kamera sichtbar.
Generell „haut das aber mit den Drohnen sehr gut hin“, sagt auch Bernhard Drexl. Der Schwiftinger Milchviehhalter ist stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands. Sollten daher Landwirte solche Drohnen kaufen? Für den einzelnen seien sie zu teuer, denkbar wäre jedoch eine gemeinschaftliche Nutzung, etwa über den Maschinenring.
Das Absuchen der Wiesen benötigt ansonsten Zeit und Personal: Mit Stecken würden die Wiesen in Zehn-Meter-Abschnitten abgetastet, wobei allerdings in der Regel nicht jede Wiesenfläche kontrolliert werden müsse: „Es sind meist nur bestimmte Bereiche, wo Rehe sein können, da hat jeder Landwirt seine Erfahrungen“, sagt Drexl. In Schwifting etwa gebe es kaum Rehwild. Aber bei Wiesen – etwa in der Nähe von Waldgebieten –, wo sich Rehe aufhalten könnten, spreche er sich mit dem Jäger ab, der dann die Wiesen abgehe.
In der Pflicht, junge Wildtiere zu schützen, sind jedoch grundsätzlich die Landwirte, erklärt Georg Duschl, der Kreisvorsitzende der Jäger: „Er muss sich vor dem Mähen vergewissern, dass kein Jungwild in der Wiese ist.“Wer das nicht tut und ein Rehkitz verstümmelt oder tötet, verstößt gegen das Tierschutzgesetz.
Mit moderner Technik zum Schutz der Kitze
Konkrete Zahlen zu den Fällen gibt es nicht
Wird ein Landwirt deswegen angezeigt, muss er mit empfindlichen Strafen rechnen. Martin Israel listet auf seiner Internetseite (fliegender-wildretter.de) etliche Fälle auf, in denen Landwirte einige Tausend Euro Geldstrafe zahlen mussten. Allerdings „kenne ich keinen Jäger, der einen Landwirt anzeigt“, schränkt Jäger Duschl ein, „denn wir sind Partner.“
Somit gebe es im Landkreis keine Statistik, wie oft Rehe und andere Wildtiere von landwirtschaftlichen Maschinen getötet werden. Glaubt man den Schätzungen des Bayerischen Jagdverbands, dass in ganz Bayern auf diese Weise jedes Frühjahr rund 90000 Kitze ums Leben kommen, könnten es auch im Landkreis Landsberg etliche Hundert Tiere sein. Georg Duschl formuliert es so: Er glaube, die Zahl der Mähunfälle dürfte sich mit der Zahl der Wildunfälle im Straßenverkehr die Waage halten. Duschl betont auch: „Ich unterstelle keinem Menschen, dass er in böser Absicht handelt.“